Offenbach (epd). In der Ukraine gibt es derzeit keine legale Möglichkeit, den Kriegsdienst zu verweigern. Wie der Verein „Connection“ mit Sitz in Offenbach am Montag unter Berufung auf das ukrainische Verteidigungsministerium mitteilte, ist das Recht auf Kriegsdienstverweigerung seit Beginn des Krieges gegen Russland ausgesetzt. Das stelle „einen groben Verstoß gegen internationale Menschenrechtsverletzungen“ dar, kritisierte der Geschäftsführer von „Connection“, Rudi Friedrich: „Der UN-Menschenrechtsausschuss hatte in der Vergangenheit klargestellt, dass das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nicht aus Gründen der nationalen Sicherheit eingeschränkt werden darf.“
Der Verein, der sich für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure einsetzt, stützt sich auf eine Antwort des ukrainischen Verteidigungsministeriums vom 21. August auf eine Anfrage der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung. Wie das Ministerium erläuterte, ist der Wehrersatzdienst nach ukrainischem Recht eine Alternative zum obligatorischen befristeten Militärdienst. Einen zeitlich begrenzten Militärdienst gebe es seit Einführung des Kriegsrechts am 24. Februar jedoch nicht mehr. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung sei daher derzeit nicht anwendbar.
Schon vor Kriegsbeginn konnte das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nach Angaben von „Connection“ nur von Personen wahrgenommen werden, die einer von zehn kleinen religiösen Gemeinschaften angehören wie etwa den Zeugen Jehovahs oder den Adventisten. Mit der Aussetzung sei ihnen jede Möglichkeit dafür genommen worden. In der Folge seien im Mai und Juni 2022 bereits zwei Verweigerer zu mehrjährigen Haftstrafen auf Bewährung verurteilt worden.
Außerdem seien von Januar bis Juli fast 5.000 Strafverfahren wegen Militärdienstentziehung und ähnlicher Delikte eröffnet worden. Das gehe aus einer Auswertung staatlicher Gerichtsurteile durch die Ukrainische Pazifistische Bewegung hervor. In seiner Mitteilung fordert „Connection“ die ukrainische Regierung auf, „ein für alle zugängliches Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung zu garantieren und die bisher ergangenen Verurteilungen zurückzunehmen sowie eröffnete Strafverfahren einzustellen“.