Bremen (epd). Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel hat eine Neuordnung des Strompreissystems gefordert. Das sogenannte Merit-Order-Prinzip, wonach das teuerste Kraftwerk den Einheitspreis an der Strombörse bestimme, müsse dringend revidiert werden, sagte Hickel in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Denn viele Stromerzeuger im Bereich der Nicht-Gaskraftwerke fahren Übergewinne ein, während die Verbraucher belastet werden.“ Der Staat könne und müsse eingreifen.
Eigentlich solle das Merit-Order-Prinzip diejenigen Kraftwerke fördern, die Strom zu geringen Kosten aus erneuerbaren Energien erzeugten, erläuterte Hickel. Je mehr erneuerbare Energien zur Stromerzeugung eingesetzt würden, umso weniger kämen teure Kraftwerke wie die Gaskraftwerke zum Einsatz. „Das haut derzeit nicht hin.“
Infolge der Verknappung der Liefermengen aus Russland seien die Kosten der Stromerzeugung aus Gas in ungeahnte Höhen gestiegen. Der Anteil an deutlich günstigerem Strom aus Biomasse, Wind- oder Sonnenenergie reiche mit einem Anteil von rund 40 Prozent am Energiemix nicht aus, um den Bedarf zu decken, sagte der Experte. Hinzu kommt, dass der ebenfalls günstigere und einstmals dominierende Kohle- und Atomstrom nur noch etwa ein Viertel zur erzeugten Gesamtstrommenge beisteuere. „So kommt es, dass eine Stromversorgung ohne Gas praktisch unmöglich geworden ist. Der Rohstoff ist preisbestimmend, obwohl er weniger als 15 Prozent am Energiemix ausmacht.“
Hickel forderte, Deutschland müsse sich mit den anderen Staaten in der Europäischen Union über das komplexe System der Preisfindung neu abstimmen: „Nach den jüngsten Krisenerfahrungen müssen die Preisbildungsprinzipien im Energiebereich allesamt auf den Tisch.“ Gleichzeitig verlangte der Ökonom mehr Investitionen in die Förderung alternativer Energien.
Um die Verbraucher zu entlasten, schlug Hickel erneut einen Preisdeckel für Strom, Heizung und Warmwasser vor. Der Staat könnte mit einem bestimmten Betrag pro Person den Preis für einen Grundbedarf sichern. „Was darüber hinaus geht, zahlt der Kunde.“ Damit hätten die Verbraucher auch einen Anreiz, Energie zu sparen. Finanziert werden sollte das durch eine Übergewinnsteuer der Mineralölindustrie und der Energieunternehmen. „Diese Lösung muss schnell kommen. Sie ist machbar und zugleich ein Beitrag, den ansonsten zu erwartenden 'heißen Herbst' abzukühlen.“