Karlsruhe (epd). Die Masern-Impfpflicht für Kita-Kinder und Betreuungspersonen ist verfassungsgemäß. Die seit März 2020 bestehende Nachweispflicht über einen Masernschutz zum Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen wie einer Kita oder einer Tageseinrichtung diene nicht nur dem Gesundheitsschutz der Kinder und vulnerabler Personen wie Schwangeren, sondern wolle auch die Weiterverbreitung der hoch ansteckenden Krankheit verhindern, erklärte das Bundesverfassungsgericht in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss (AZ: 1 BvR 469/20 und weitere). Gegenüber diesen Interessen müsse das Elternrecht und das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit zurücktreten. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) begrüßte die Entscheidung.
Seit März 2020 ist für alle nach 1970 geborenen Personen, die in einer Gemeinschaftseinrichtung betreut werden oder dort tätig sind, der Nachweis eines Masernschutzes vorgesehen. Dies gilt etwa für Kitas, Tagespflegeeinrichtungen, Schulen oder Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber. Ohne den Nachweis einer Masernimpfung oder dem ärztlichen Zeugnis einer Masern-Immunität darf die betroffene Person dort nicht tätig oder betreut werden. An Schulen geht dies wegen der Schulpflicht für die Kinder nicht. Den Eltern drohen aber Bußgelder von bis zu 2500 Euro.
Im konkreten Fall hatten mehrere Eltern und ihre Kinder gegen die Nachweispflicht einer Masernimpfung Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie wollten erreichen, dass ihre Kinder auch ohne Masernschutz in einer Kita oder einer Tagespflegeeinrichtung betreut werden. Ihr im Grundgesetz verankertes Elternrecht sowie das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit würden verletzt. Die Impfung sei zudem nur mithilfe von Kombinationsimpfstoffen möglich. Die Folge sei, dass wegen der faktischen Impfpflicht sich die Kinder auch gegen andere Erkrankungen wie Röteln, Mumps oder Windpocken impfen lassen müssten. Die Nachweispflicht sei damit unverhältnismäßig, argumentierten die Eltern.
Das Bundesverfassungsgericht entschied jedoch, dass der vom Gesetzgeber verlangte Nachweis einer Masernimpfung oder einer Immunität „angemessen und verhältnismäßig“ und verfassungsgemäß sei. Die Nachweispflicht beeinträchtige zwar Eltern in ihrem Elterngrundrecht und die Kinder in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Der Gesetzgeber habe jedoch „einen verfassungsrechtlich legitimen Zweck, nämlich den Schutz vulnerabler Personen vor einer für sie gefährlichen Masernerkrankung“ verfolgt. Dem Eingriff in das Elternrecht komme „insoweit kein besonders hohes Gewicht zu“, heißt es in dem Gerichtsbeschluss.
Eine Masernerkrankung könne tödlich verlaufen. Gerade vulnerable Menschen wie Säuglinge und Schwangere könnten sich nicht gegen Masern impfen lassen. Um sich vor einer Ansteckung schützen zu können, seien sie darauf angewiesen, dass eine Herdenimmunität in der Bevölkerung gegen Masern besteht. Diese gebe es erst ab einer Impfquote von 95 Prozent. Deshalb sei es gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber bei einem fehlenden Masernschutz ein Betreuungsverbot in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kitas und Tagespflegestellen ausgesprochen habe.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) begrüßte die Karlsruher Entscheidung. Diese sei „eine gute Nachricht für Eltern und Kinder. Eine Masernerkrankung ist lebensgefährlich - für die Erkrankten und ihr Umfeld.“ Deshalb sei es Aufgabe des Staates, Infektionen in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kita oder Schule zu vermeiden, erklärte Lauterbach in Berlin. Auch der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach, sprach in der „Rheinischen Post“ von einem guten Urteil für die Kinder in Deutschland.