Waiblingen (epd). Im Streit um ein Lager mit der Heilpflanze Artemisia in Winnenden bei Stuttgart ist es zu einem Vergleich gekommen. Der Besitzer Hans-Martin Hirt habe am Montagmorgen den Vorratsraum mit seinen Pflanzen entsiegeln dürfen, teilte der promovierte Apotheker selbst mit. Insgesamt drei Monate hatte das Landratsamt des Rems-Murr-Kreises das Lager mit der Begründung dichtgemacht, Hirt verstoße mit Artemisia gegen die Novel-Food-Verordnung der Europäischen Union.
Allerdings muss sich der Pharmazeut an Auflagen halten. So darf er seine Pflanzen nicht als Lebensmittel in Verkehr bringen, heißt es in dem vom Verwaltungsgericht Stuttgart ausgefertigten Beschluss. Außerdem verzichtet er auf Ersatzansprüche für Schäden, die während der Versiegelung an den Pflanzen entstanden sind. Es handelt sich nach eigenen Angaben um rund eine Tonne Artemisia mit einem Schätzwert von 70.000 Euro.
Artemisia enthält 245 Wirkstoffe, die gegen Malaria und multiresistente Keime wirken, bei Krebs helfen sollen und die Immunabwehr stärken. Hirt hat den Verein anamed gegründet, in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation eine optimierte Version der Pflanze unter dem Namen „A 3“ gezüchtet und zahlreiche Projekte weltweit organisiert. So unterstützte das Land Baden-Württemberg den Anbau in Burundi mit 50.000 Euro. Er und sein Team sind für ihr Engagement mehrfach geehrt worden.
Probleme entstanden 2018, als die Pflanze in der Novel-Food-Verordnung der EU als „gefährlich“ eingestuft wurde. Der Verkauf wurde durch das Landratsamt verboten. Ein folgender Rechtsstreit endete im Februar vergangenen Jahres vor dem baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof mit einer Niederlage der Artemisia-Züchter. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat die Ansicht, die Behörde sei zum Einschreiten verpflichtet gewesen. „Ein Entschließungsermessen räumt die Vorschrift nicht ein“, teilte das Landratsamt mit.
Hirt äußerte sich erleichtert über den Vergleich. Er hofft nach eigenen Worten, dass sich der Umgang mit Heilpflanzen in Europa ändert. Er schätze, dass von 40.000 Heilpflanzen höchstens 1.000 wenigstens ansatzweise erforscht oder anerkannt und registriert sind. „Deswegen fordern wir umgehend auch die Befreiung der restlichen 39.000 Heilpflanzen von ihren Fesseln und somit Befreiung von der 'Zulasseritis' der Europäischen Kommission“, schreibt er.