Essen, Berlin (epd). Die deutschen Amtsärzte fordern bundesweit einheitliche Corona-Regeln für Herbst und Winter. Die Bundesregierung sollte klare Vorgaben machen und einheitliche Grenzwerte festlegen, sagte der Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Johannes Nießen, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Online/Montag). Nötig seien „harte, klare Stufen“ und „länderübergreifende Maßstäbe, wann welche Regel gilt“. Eine hohe Akzeptanz für die Maßnahmen werde es nur geben, wenn die Regeln für alle nachvollziehbar seien.
Bei gleicher Infektionslage dürfe es nicht passieren, „dass man über die Landesgrenze von Bayern nach Baden-Württemberg fährt und die Maske im Restaurant mal tragen muss und mal nicht“, betonte Nießen, der auch Leiter des Kölner Gesundheitsamtes und Mitglied im Corona-Expertenrat der Bundesregierung ist. „Eine solche Kakofonie ist den Bürgern nicht vermittelbar.“ Es müsse klar sein, ab wann die Länder etwa eine Maskenpflicht in Innenräumen oder in Schulen vorschreiben.
Die Amtsärzte schlagen dazu ein Ampelsystem vor: Bis zu einer Inzidenz unter 500 und weniger als 1.000 Covid-Intensivpatienten bundesweit sowie „keinerlei besorgniserregenden Hinweisen aus den Abwasseranalysen“ sei man wahrscheinlich noch im grünen Bereich, sagte Nießen. „Liegen die Werte darüber, sollte man alarmiert sein und bei Veranstaltungen in Innenräumen Masken vorschreiben.“ Bei einer Inzidenz über 1.000 und mehr als 5.000 Covid-Intensivpatienten sollte die Ampel auf Rot springen. „Dann sollten auch keine Ausnahmen von der Maskenpflicht mehr möglich sein und es muss über weitergehende Maßnahmen entschieden werden.“
Inzidenz und der Klinikbelegung mit Covid-Patienten sollten nach Ansicht der Amtsärzte wichtige Maßstäbe bleiben. Zudem sollten die Zahl der Verstorbenen, die Daten aus den Abwasseranalysen und die Belastung des Gesundheitssystems durch andere Viruswellen wie Grippe einbezogen werden.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte am Freitag Forderungen nach einheitlichen Vorgaben zurückgewiesen. Die Länder müssten selbst die gesamte Gefahrenlage bewerten, sagte er. Dazu zählten neben den Fallzahlen auch Indikatoren wie die Belegung der Krankenhäuser und die Schwere der Krankheitsverläufe. Das sei besser als immer wieder gescheiterte Versuche, mit festen Grenzwerten zu arbeiten, sagte er. Zugleich zeigte er sich aber offen für Vorschläge aus den Ländern, wenn diese praktikabel seien, und kündigte für kommende Woche weitere Gespräche mit den Ländern an.