Ausweg aus der klimapolitischen Blockade

Ausweg aus der klimapolitischen Blockade
Wie Joe Biden seiner Klima-Agenda neuen Schwung geben könnte
Um die klimapolitische Blockade durch die Republikaner zu lösen, erwägt Joe Biden die Ausrufung eines Notstands. Der Schritt gäbe dem US-Präsidenten weitreichende Befugnisse. Zum Beispiel könnte er Gasbohrungen vor der Küste stoppen.
27.07.2022
epd
Von Konrad Ege (epd)

Washington (epd). Der US-Präsident zeigt sich zunehmend frustriert, wenn er über den Klimawandel spricht. Im Kampf gegen die „existenzielle Bedrohung“ habe der gesetzgebende Kongress versagt, erklärte Joe Biden vor wenigen Tagen. Klimaschützer wiederum zeigen sich frustriert über Biden. Die Welt stehe in Flammen, und Biden bekämpfe „das Feuer mit einem Gartenschlauch“, sagte Jean Su, Direktorin des Umweltinstituts „Center for Biological Diversity“.

Weil Biden aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Kongress seine klimapolitische Agenda nicht voranbringen kann, fordern Aktivisten und Klimaexperten wie Su die Ausrufung eines „nationalen Klimanotstands“. Dies gäbe dem Präsidenten zusätzliche Befugnisse zum Eingriff in die Wirtschaft. Das Weiße Haus hält sich bisher jedoch bedeckt. Biden erklärte vor wenigen Tagen, er werde „bald“ eine Entscheidung treffen, doch erst einmal existierende Handlungsmöglichkeiten ausschöpfen.

Die Hoffnung war groß, als der neue Präsident im Januar 2021 dem Pariser Klimaabkommen wieder beitrat, aus dem sein Vorgänger Donald Trump sich zurückgezogen hatte. Nach jahrelangem Stillstand versprach das neue Staatsoberhaupt einen Aufbruch und rief ein ehrgeiziges Klimaziel aus: 50 Prozent CO2-Reduktion bis 2030 im Vergleich zu 2005.

Manches ist verwirklicht worden. Das Kernstück von Bidens Vorhaben war jedoch der sogenannte „Build Back Better“-Plan, der massive Ausgaben für die Infrastruktur und für erneuerbare Energien vorsah. Das Vorhaben scheiterte am Widerstand der Republikaner - und am angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse ausschlaggebenden Abweichler: Joe Manchin. Der demokratische Senator aus dem Kohlestaat West Virginia rechtfertigte sein Nein mit wechselnden Begründungen, zuletzt mit der Sorge vor hoher Inflation.

Zu den Mehrheitsverhältnissen hat wohl auch die Spendenpolitik der Öl- und Erdgaslobby beigetragen. Laut der Transparenz-Plattform „opensecrets.org“ haben Konzerne wie Koch Industries, Chevron, Exxon und Shell in den Jahren 2021 und 2022 vor allem Republikaner finanziell unterstützt - doch auch Manchin steht weit oben auf der Liste der Begünstigten.

Dabei hat sich der Ton der Industrie in der umweltpolitischen Debatte verändert. Die Erderwärmung wird nicht länger bestritten. Der Lobbyverband American Petroleum Institute versichert, die Industrie wolle „das Risiko des Klimawandels reduzieren“. Zugleich seien Öl und Gas aber „lebenswichtig“ für Fortschritt und Wohlstand, heißt es relativierend.

Der klimapolitischen Agenda des Präsidenten stellt sich auch das Oberste Gericht in den Weg. Von Trump ernannte Juristen garantieren dort eine rechte Mehrheit. Im Juni beschnitt das Gericht die Befugnisse der US-Umweltbehörde zur Regulierung von Kraftwerksemissionen.

Nun ruht die Hoffnung von Klimaschützern auf der Ausrufung des nationalen Klimanotstands: Mit dessen Hilfe könnte Biden nach Einschätzung des „Center for Biological Diversity“ Öl- und Gasbohrungen vor der Küste stoppen, Erdölexporte verbieten, US-Investitionen bei internationalen fossilen Projekten bremsen und das riesige Beschaffungswesen der Regierung auf klimafreundliche Produkte umstellen. Er könnte Hersteller anweisen, vermehrt Ökoprodukte wie Elektrofahrzeuge auf den Markt zu bringen.

Ein Notstand wäre ein radikaler Schritt - zu dem aber auch Bidens Vorgänger Donald Trump griff: Er verkündete etwa einen „Einwanderungsnotstand“, um seine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu finanzieren. Und im Kampf gegen die Corona-Pandemie konnten Trump und später auch Biden auf diese Weise Hilfspakete auflegen und Schutzmaßnahmen durchsetzen.

Die US-Bevölkerung ist beim Thema Klimawandel derweil weiter gespalten. Auch Waldbrände und Rekordhitze haben offenbar keinen grundsätzlichen Umschwung bewirkt: Laut einer Erhebung des Instituts Pew Research Center vom Juli sprechen sich 49 Prozent von 10.282 Befragten für Bidens Klimapolitik aus und 47 Prozent dagegen. Die Zustimmung zu strikteren Umweltmaßnahmen, die auf Kosten der Wirtschaft gehen könnten, hat sogar nachgelassen. 53 Prozent würden zum Wohle der Umwelt strengere Gesetze in Kauf nehmen, zwölf Prozentpunkte weniger als im September 2019.