Frankfurt a.M. (epd). Der katholische Kirchenrechtler Thomas Schüller sieht in der Rüge des Vatikans für den deutschen Reformprozess eine politische Drohkulisse. „Rom pocht auf seinen alleinigen Anspruch, über Bewahrung und Veränderung der Lehre zu entscheiden“, sagte Schüller am Freitag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Konservativen Kräften in der römischen Kurie und dem deutschen Episkopat sei es augenscheinlich gelungen, bei den Entscheidungsträgern in Rom den Eindruck zu vermitteln, die deutsche Kirche würde sich auf einen nationalkirchlichen Sonderweg hin bewegen.
Der Vatikan hatte am Donnerstag eine Erklärung veröffentlicht, die deutschen Bischöfe und Laien davor warnt, eigenmächtig und ohne Abstimmung mit der Weltkirche Reformen umzusetzen. Bischöfe und Laien in Deutschland beraten seit Dezember 2019 beim Reformprozess Synodaler Weg über Wege aus der Kirchenkrise, die durch den Missbrauchsskandal mit ausgelöst wurde. 2023 soll der Prozess abgeschlossen werden. Im September steht die nächste Synodalversammlung in Frankfurt am Main an.
Schüller sagte, er als Kirchenrechtler verstehe die römischen Sorgen nicht. Der Synodale Weg sei ein „rechtliches Nullum“. „Seine Beschlüsse binden keinen Diözesanbischof und ausdrücklich wird vermerkt, dass die Amtsautorität der Bischöfe nicht infrage gestellt wird“, betonte er. Aber augenscheinlich reichten Beschlussvorlagen zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare oder die vorgesehene Bindung von bischöflichen Entscheidungsträgern an die diözesanen Räte mit Laien schon aus, um in Rom „die Alarmglocken schlagen zu lassen“.
Dennoch werde diese politische Intervention ihre Wirkung auf „die unentschlossenen, wankelmütigen Bischöfe im deutschen Episkopat“ nicht verfehlen, unterstrich Schüller. Im September würden sie bei der nächsten Vollversammlung des Synodalen Wegs dafür sorgen, dass es in vielen Fällen nicht zur notwendigen Zweidrittelmehrheit bei den Bischöfen kommen werde. „Der Synodale Weg droht so als Reformprojekt vor die Wand zu fahren“, sagte Schüller.