Friedensaktivist: Kriegsdienstverweigerer aus der Ukraine schützen

Friedensaktivist: Kriegsdienstverweigerer aus der Ukraine schützen
16.07.2022
epd
epd-Gespräch: Urs Mundt

Offenbach (epd). Der Friedensaktivist Rudi Friedrich hat an die Bundesregierung appelliert, ukrainische Kriegsdienstverweigerer in Deutschland flüchtlingsrechtlich besser zu schützen. „Noch wird Ukrainern in der EU der 'Aufenthalt aus humanitären Gründen' gewährt. Danach drohen Kriegsdienstverweigerern die Abschiebung und damit langjährige Haftstrafen in ihrer Heimat“, sagte der Geschäftsführer des Vereins „Connection“ mit Sitz in Offenbach dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Verein berät und unterstützt seit Jahrzehnten Kriegsdienstverweigerer vieler Nationen.

„Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht“, erklärte Friedrich. Im Unterschied zu Deutschland habe es die Ukraine bis heute versäumt, dieses Recht gesetzlich zu verankern. Lediglich Angehörigen religiöser Minderheiten wie etwa Adventisten oder den Zeugen Jehovas gestehe die ukrainische Verfassung von 1996 Ausnahmen von der Wehrpflicht zu. Alle anderen müssten mit Strafverfolgung rechnen - so etwa die 3.300 Ukrainer, die von Februar bis Mai an der Grenze beim Versuch gefasst worden seien, sich durch Ausreise dem Militärdienst zu entziehen. Zudem hätten allein in Moldawien rund 3.000 ukrainische Kriegsdienstverweigerer Asyl beantragt.

Kriegsdienstverweigerung sei in Deutschland meistens kein anerkannter Fluchtgrund. Ausländerbehörden wiesen in Asyl-Bescheiden regelmäßig darauf hin, dass jeder Staat das Recht auf Wehrpflicht habe, sagte Friedrich. Ein Fluchtgrund sei für deutsche Behörden und Gerichte erst gegeben, wenn zur strafrechtlichen Verfolgung der Kriegsdienstverweigerung eine politische Verfolgung hinzutrete. Wer dieses Kriterium nicht erfülle, den schütze Deutschland nicht, kritisierte er.

Viele Ukrainer lehnten die Beteiligung am Verteidigungskrieg gegen Russland aufgrund der persönlichen Situation ab. So sei bereits 2015 häufig als Motiv genannt worden, dass Verwandte auf der anderen Seite der Front stehen. „Letztlich ist aber ihre Entscheidung immer eine Gewissensentscheidung gegen den Krieg. Dies wird von der Ukraine nicht geachtet, wie aktuelle Gerichtsurteile zeigen.“

Der Beschluss des Bundestages von Ende April, russischen Deserteuren Schutz in Deutschland zu gewähren, sei zwar grundsätzlich zu begrüßen. „Er muss jedoch auf Ukrainer sowie überhaupt auf Kriegsdienstverweigerer ausgeweitet werden“, forderte Friedrich. „Derzeit müssen Sie zuerst russischer Soldat gewesen sein, um in Deutschland Asyl beantragen zu können. Das ist doch Irrsinn.“ Selbst hierfür stellten Behörden und Gerichte viel zu hohe Beweisanforderungen. In der Praxis könne so selbst russischen Deserteuren oft nicht der versprochene Schutz gewährt werden.