Essen, Berlin (epd). Als Reaktion auf das Gutachten der Corona-Sachverständigen mahnt die Bundesärztekammer für den Herbst eine gezielte Schutz-Strategie für Kinder und Jugendliche an. „Wir brauchen jetzt einen Runden Tisch von Gesundheits- und Kultusministern sowie mit Ärzten, Pädagogen und anderen wissenschaftlichen Disziplinen, um eine tragfähige Corona-Strategie für Schulen und Kitas zu entwickeln“, sagte Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Samstag).
Es sei bedenklich, dass die Auswirkungen von Schulschließungen auf das Infektionsgeschehen kaum wissenschaftlich belegt seien, fügte Reinhardt hinzu. Dagegen zeigten zahlreiche Studien deutlich die massiven psychischen und körperlichen Folgen von sozialer Isolation für Kinder und Jugendliche. „Wechselunterricht und Schulschließungen dürfen, wenn überhaupt, nur die Ultima-Ratio sein“, unterstrich der Bielefelder Mediziner.
Mit dem am Freitag vorgestellten Sachverständigengutachten habe die Politik eine wichtige Orientierungshilfe bekommen. Nötig seien konkrete gesetzgeberische Schritte, inklusive ausreichender Haushaltsmittel unter anderem zur Förderung der Pandemieforschung und zur Offenhaltung der Schulen, forderte der Ärzte-Chef. „Vor allem brauchen wir mehr psychosoziale Hilfsangebote für Kinder und Jugendliche, die bis heute unter den Folgen von Schulschließungen und Kontaktbeschränkungen leiden.“
Reinhardt verlangte zudem, dass künftige Maßnahmen wissenschaftlich eng begleitet werden. „Bei nahezu allen in dem Gutachten evaluierten Maßnahmen zeigt sich deutlich, dass der von uns mehrfach kritisierte Datenblindflug in Deutschland bei der Auswertung des Infektionsgeschehens beendet werden muss“, sagte er. „Die Forderung der Wissenschaftler, die Public-Health-Forschung zu stärken und nicht nur auf Studiendaten aus dem Ausland zu setzen, zieht sich wie ein Roter Faden durch das Gutachten.“
Der Corona-Sachverständigenrat hatte am Freitag ein Gutachten über die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen in der Pandemie vorgelegt. Die Experten halten die Aussagekraft ihres Berichts für begrenzt - auch weil es an Daten zur Bewertung einzelner Maßnahmen fehlt.
Während die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Lockdown-Maßnahmen differenziert betrachten, äußerte sich das Gremium besonders kritisch zu Schulschließungen. Die genaue Wirksamkeit dieser insgesamt 38 Wochen dauernden Maßnahme sei weiterhin offen, hieß es. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) kündigte an, nach der Sommerpause ein Pandemiekonzept für Herbst und Winter vorzulegen.