Forscherin: Mehr Freiräume im "Klassenzimmer der Zukunft"

Forscherin: Mehr Freiräume im "Klassenzimmer der Zukunft"
27.06.2022
epd
epd-Gespräch: Karen Miether

Braunschweig (epd). Anders gestaltete Klassenräume und der Einsatz digitaler Medien können nach Auffassung der Braunschweiger Wissenschaftlerin Maren Tribukait den Schulunterricht bereichern. Dieser sei noch immer zu sehr auf die Lehrerin oder den Lehrer ausgerichtet. „Vorne steht die Tafel oder das Whiteboard, und der Blick richtet sich nach vorne aus“, sagte die wissenschaftliche Leiterin des digitalen Labors „the Basement“ am Leibniz-Institut für Bildungsmedien in Braunschweig. „Mehr Partizipation ist wünschenswert, damit Schülerinnen und Schüler nicht nur fachliches Wissen erwerben, sondern auch ihre sozialen und kommunikativen Kompetenzen stärken können.“

Das „Basement“ ist zur Veranschaulichung als „Klassenzimmer der Zukunft“ eingerichtet, das Schulklassen auch ausprobieren könnten. Dort gebe es zum Beispiel Stehtische und Sitzecken, an denen sich kleinere Gruppen bilden könnten, aber auch digitale Ausrüstung wie VR-Brillen.

„Uns beschäftigt die Frage, wie Lernen weiterentwickelt werden kann“, erläuterte Tribukait. In dem mit Mitteln des niedersächsischen Kultusministeriums eingerichteten „Basement“ arbeiten dafür auch Wissenschaftler mit Schulklassen zusammen. Für Lehrkräfte werden Fortbildungen angeboten. Dabei gehe es auch um den Einsatz digitaler Medien, wie etwa Erklärvideos oder Computerspielen im Unterricht.

Mit dem zeitweiligen Homeschooling in der Corona-Pandemie sei es zwar selbstverständlicher geworden, dass Lehrerinnen und Lehrer digitale Mittel für den Unterricht nutzten, sagte sie. „Allerdings stellt es eine große Herausforderung dar, mit Videokonferenzen einen Unterricht umzusetzen, an dem sich Schülerinnen und Schüler aktiv beteiligen.“ In hybriden Formaten böten die Medien dagegen bessere Chancen, um zu neuen Formen der Beteiligung zu gelangen. Anstatt dass die Lehrerin oder der Lehrer mit nur einigen Schülerinnen und Schülern diskutieren, die sich eifrig beteiligten, könnten zum Beispiel mit digitalen Umfragen auch alle anderen einbezogen werden.

Die promovierte Historikerin hat selbst unter anderem über die Nutzung digitaler Medien im Geschichtsunterricht geforscht. Sie hält auch den Einsatz von sogenannten „serious games“ im Unterricht für denkbar wie „Through the Darkest of Times“ über Widerstandskämpfer im Nationalsozialismus. Schülerinnen und Schüler könnten zum Beispiel vergleichen, welche Geschichtsbilder die Spiele im Unterschied zu Schulbüchern vermittelten. Wichtig sei es, ein kritisches Bewusstsein im Umgang mit Geschichtsdarstellungen zu fördern.

Für den Unterricht der Zukunft sollten Tribukait zufolge die sogenannten „4K“ - Kreativität, Kooperation, Kommunikation und kritisches Denken - leitend sein. Wichtiger als der Einsatz digitaler Medien sei es, dafür überhaupt Freiräume zu schaffen. „Es sollte mehr Raum geben für Kreativität und offene Lernprozesse.“ Dem stehe der Zeitdruck durch eng getaktete Lehrpläne leider oft entgegen.