Berlin (epd). Friedensforscher warnen vor einer Eskalation im Ukraine-Konflikt bis hin zum Atomkrieg. Der Ukraine-Krieg führe zu einer massiven Steigerung des nuklearen Eskalationsrisikos, heißt es in dem am Dienstag in Berlin vorgestellten Friedensgutachten 2022. Die führenden deutschen Friedensforschungsinstitute schlagen daher vor, dass das Militärbündnis Nato öffentlich den Verzicht auf einen nuklearen Ersteinsatz erklärt. Ein Atomkrieg könne nicht gewonnen werden und habe ganz verheerende Auswirkungen, heißt es in der Empfehlung der Forscherinnen und Forscher an die Politik.
Laut Gutachten muss Europa und der Nato mit Blick auf Russland der Spagat zwischen Wehrhaftigkeit und Druck einerseits und Friedensfähigkeit andererseits gelingen. Langfristig dürfe das Ziel einer europäischen Friedensordnung nicht aus dem Blick verloren werden, sagte Ursula Schröder vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH). Sie wies darauf hin, dass reine Sicherheitsordnungen, die auf Abschreckung basierten, nicht so stabil seien wie Friedensordnungen. Als Beispiel nannte sie den Innenraum der Europäische Union, in dem die Austragung von Kriegen undenkbar geworden sei.
Sie hob hervor, dass Kriegsverläufe bereits „Teil von Verhandlungsprozessen“ seien. Friedensverhandlungen oder Verhandlungen um Koexistenz seien eher möglich, wenn es eine militärische Pattsituation gebe, in der alle Kriegsparteien davon ausgehen müssten, dass ihre Ziele nicht mehr militärisch erreichbar seien. In diesem sogenannten reifen Moment könne es die Möglichkeit geben, Verhandlungen auf den Weg zu bringen. „Und es muss darum gehen, diesen Moment zu erkennen und zu ergreifen.“ Dies erfordere Vorbereitung.
Christopher Daase vom Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) fügte hinzu, jetzt sei man mit Blick auf die europäische Friedensordnung wieder zurück auf dem ersten Quadrat. Was in den kommenden Jahren im Vordergrund stehen werde, sei Abschreckung. Mit der Zeit könne es womöglich aber eine Art friedliche Koexistenz geben und dann langsam einen Aufbau von kooperativen Strukturen. Jetzt müsse Abschreckung so organisiert werden, dass der Weg hin zu stärker kooperativen Lösungen nicht dauerhaft verbaut sei.