Berlin (epd). In einem Modellprojekt setzen zehn ausgewählten Kommunen in Deutschland sogenannte Zukunftsräte ein. Die Räte bestehen aus 20 aus den Melderegistern gelosten Bürgerinnen und Bürgern und sollen mithilfe eines professionellen Moderationsteams Empfehlungen für die Kommunalpolitik entwickeln, kündigten der Verein Mehr Demokratie e.V. und das Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS Potsdam) als Projektverantwortliche am Dienstag in Berlin an. Es gehe dabei um eine „enkeltaugliche“ Zukunft der Kommunen. Der erste Zukunftsrat soll am Wochenende in Flecken Ottersberg bei Bremen tagen.
Das Losverfahren ermögliche den Kommunen, andere als die „üblichen Verdächtigen“ zu erreichen und eine möglichst diverse Gruppe zusammenzustellen, hieß es. Professionelle Prozessbegleitende würden die Sitzungen und späteren Beteiligungsveranstaltungen moderieren. Sie sollen zudem helfen, die Ergebnisse in der lokalen Politik umzusetzen.
Gefördert wird das Projekt „Losland - Zukunft vor Ort gestalten“ von der Bundeszentrale für Politische Bildung. Beteiligt sind neben dem Flecken Ottersberg Ludwigsfelde in Brandenburg, Leupoldsgrün und Lindau am Bodensee in Bayern, Augustusburg und Rietschen in Sachsen, Coesfeld und Gütersloh in Nordrhein-Westfalen, das niedersächsische Varel und Efze in Hessen.
Die „Zukunftsräte“ in den „Losland“- Kommunen ermöglichten es den Bürgern, ihre Ideen und ihr Wissen über ihren Ort einzubringen und ihr Zusammenleben jenseits von Filterblasen zu diskutieren. „Die Herzkammer der Demokratie ist die Kommune“, sagte der parteilose Augustusburger Bürgermeister Dirk Neubauer: „Wenn wir wollen, dass Leute Sinn und Inhalt und Kraft der Demokratie erlernen und erleben können, dann geht das nur hier.“
Initiatorinnen des Projektes sind die Partizipationsexpertin Patrizia Nanz und der Journalistin Marie von Mallinckrodt. „Wir leben in einer Umbruchphase voll komplexer Herausforderungen: Klimawandel, Migration, Digitalisierung. Unsere Demokratie braucht hier nicht mehr “Durchregieren„ von oben, sondern mehr Dialog und gemeinsames Gestalten“, sagte die Politikwissenschaftlerin Nanz.
Die Bürgermeisterin der kleinsten „Losland“-Kommune Leupoldsgrün, Annika Popp (CSU), sieht in dem Projekt eine „super Möglichkeit, Bürgerbeteiligung mal auszuprobieren und der Politikverdrossenheit vorbeugen“. Die Lokalpolitik bekomme Input und könne sich hinterfragen, „wo sind wir zu sehr in eingefahrenen Fahrwassern, wo sind wir betriebsblind?“
Ihr Amtskollege aus dem sächsischen Rietschen sagte, er habe das Gefühl, dass gerade in Ostdeutschland viele Menschen die Mechanismen der Demokratie noch nicht verstünden. „Angefangen mit Menschen, die den Staat in Frage stellen, bis hin zu Leuten, die immer dagegen sind und meinen, alles besser zu wissen“, sagte der SPD-Politiker Ralf Brehmer: „Daher die Idee, die Leute vorher zu fragen und verschiedene Meinungen einzuholen.“
„Wir warten mit großem Interesse auf die Ergebnisse des Modellprojektes und werden sicher die eine oder andere Anregung in unsere Arbeit einfließen lassen“, sagte der Präsident der Bundeszentrale, Thomas Krüger.