Münster (epd). Historiker der Universität Münster rechnen in einer Studie mit mindestens 600 von sexuellem Missbrauch betroffenen Kindern im Bistum Münster. Sie seien zwischen zehn und 14 Jahre alt gewesen, ein Viertel von ihnen Mädchen, erklärte das fünfköpfige Wissenschaftsteam am Montag. Über die Tätigkeiten als Messdiener oder auf Ferienlagern sei es zur Kontaktanbahnung gekommen. Die Studie gehe von etwa 196 beschuldigten Klerikern aus, die Dunkelziffer liege wahrscheinlich bis zu fünfmal höher, hieß es. Das Team um die Professoren Thomas Großbölting und Klaus Große Kracht hat seit Oktober 2019 Fälle zwischen 1945 und 2020 untersucht.
Viele der Täter seien keine Einzel-, sondern Wiederholungstäter gewesen, hieß es. Möglich sei der Missbrauch durch ein kollektives Versagen der Personalverantwortlichen gewesen, erklärte Studienleiter Großbölting, der mittlerweile an der Universität Hamburg lehrt. Sie hätten sich weniger als Vorgesetzte, sondern vielmehr als Seelsorger und Mitbruder der Täter gesehen.
In der Nachkriegszeit sei es den Bischöfen von Münster wie Joseph Höffner (Amtszeit: 1962-1969), Heinrich Tenhumberg (1969-1979) und Reinhard Lettmann (1980-2008) in der Regel darum gegangen, Schaden von der Institution Kirche abzuwenden, statt sich um die Opfer zu kümmern, die sich oft gar nicht oder erst als Erwachsene trauten über den Missbrauch zu berichten. „Die Ermöglichungstendenzen für sexuellen Missbrauch hat die katholische Kirche zur Täterorganisation werden lassen“, betonte Großbölting. Bei etwa 90 Prozent der Beschuldigten sei es nie zu strafrechtliche Konsequenzen gekommen. Die Taten seien systematisch vertuscht, die Täter in der Regel nur versetzt worden.