Frankfurt a.M., Berlin (epd). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kann sich die Einführung einer sozialen Pflichtzeit vorstellen. „Ich weiß, dass es nicht einfach werden wird, aber ich wünsche mir, dass wir eine Debatte über eine soziale Pflichtzeit führen“, sagte Steinmeier der „Bild am Sonntag“. Es gebe ein wachsendes Verständnis dafür, dass sich Menschen für eine gewisse Zeit für die Gemeinschaft einsetzen. „Politik sollte das aufnehmen.“ Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) ist gegen eine Pflicht für Jugendliche.
Steinmeier sagte, die Ausgestaltung einer solchen Pflichtzeit sollte Gegenstand der Debatte sein. Auch wie lange der Dienst dauern könnte, ließ der Bundespräsident offen. „Ich habe bewusst Pflichtzeit gesagt, denn es muss kein Jahr sein.“ Geleistet werden könnte die Pflichtzeit bei der Bundeswehr genauso wie bei der Betreuung von Senioren, in Behinderteneinrichtungen oder in Obdachlosenunterkünften.
Damit würde nach den Worten Steinmeiers auch die Demokratie und der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt. „Gerade jetzt, in einer Zeit, in der das Verständnis für andere Lebensentwürfe und Meinungen abnimmt, kann eine soziale Pflichtzeit besonders wertvoll sein“, sagte der Bundespräsident. „Man kommt raus aus der eigenen Blase, trifft ganz andere Menschen, hilft Bürgern in Notlagen.“ Das baue Vorurteile ab und stärke den Gemeinsinn.
Zugleich sprach sich Steinmeier gegen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht aus. „Ich war für die Wehrpflicht, solange es sie gab“, sagte er. Jetzt gebe es eine Bundeswehr mit ganz anderen Strukturen. „Ich rate davon ab, die alte Debatte über die Wehrpflicht neu aufzulegen.“
Bundesfamilienministerin Paus äußerte sich kritisch zu dem Vorschlag. Freiwilligendienste seien bei Jugendlichen sehr beliebt, sagte sie. Doch ein sozialer Pflichtdienst „würde einen Eingriff in die individuelle Freiheit eines jeden Jugendlichen bedeuten“. Jungen Menschen, die unter der Pandemie besonders gelitten hätten, solle weiterhin die Freiheit zu eigenen Entscheidung gelassen werden, sagte die Grünen-Politikerin.