Berlin, Potsdam (epd). Die Blockflötistin Dorothee Oberlinger kritisiert trotz leichter Fortschritte eine anhaltende Männer-Dominanz im Klassik-Betrieb. Früher hätten sich in den Meisterkursen die Schülerinnen um den Guru geschart, sagte die Leiterin der am Freitag beginnenden Musikfestspiele Potsdam Sanssouci dem Berliner „Tagesspiegel“ (Dienstag). In den Hochschulen habe es „fantastische Instrumentalistinnen“ gegeben, aber kaum Frauen auf den Lehrstühlen.
„Das ändert sich allmählich. Aber es dauert: In Salzburg bin ich die einzige Professorin in der Bläserabteilung. Ich kämpfe dafür, dass es nicht so bleibt“, sagte die 1969 in Simmen im Hunsrück geborene Oberlinger, die als eine der weltweit besten Blockflötistinnen gilt.
Die Musikerin begrüßte, dass im Rahmen der MeToo-Debatte aktuell auch an Musikhochschulen vieles aufgearbeitet werde. Auch sie erlebte demnach, dass Grenzen überschritten wurden. So sei der englische Blockflötenprofessor Philipp Picket 2015 wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt worden, der britische Dirigent und Cembalist Robert King bereits 2007. „Inzwischen gibt es etwa an der Guildhall School of Music and Drama, wo Picket lehrte, kleine Fenster in den Türen der Unterrichtsräume“, sagte Oberlinger.
Die Männer der ersten Stunde in der Alte-Musik-Szene hätten sich gleichzeitig als Forscher betätigt, vergessene Werke entdeckt und sich mit der Spielpraxis des 18. Jahrhunderts befasst. „Es waren tatsächlich vor allem Männer“, sagte sie. Heute sei die Szene sehr viel diverser geworden, und auch schon wieder Teil eines Klassikbetrieb-Establishments.