Stuttgart (epd). Religionsgemeinschaften haben nach Einschätzung des früheren UN-Sonderberichterstatters für Religionsfreiheit, Heiner Bielefeldt, das Recht, politisch zu sein. Die Religionsfreiheit gebe etwa in Deutschland Rückendeckung, dass Kirchen in der Öffentlichkeit präsent sein könnten, sagte Bielefeldt am Freitag in Stuttgart beim 102. Katholikentag. Die Kirchen dürften sich „gerne auch laut, gerne verstörend unbequem“ gesellschaftlich einbringen, sagte er.
Bielefeldt forderte, den politischen Druck gegen Länder zu erhöhen, die die Menschenrechte nicht akzeptierten. Solche Staaten müssten international isoliert werden. Von seiner katholischen Kirche wünsche er sich, dass sie nicht wie derzeit um sich selbst kreise - das sei ein „trauriger Anblick“.
Die Präsidentin des evangelischen Hilfswerks „Brot für die Welt“, Dagmar Pruin, nannte das politische Engagement ihrer Organisation Lobbyismus für die Ärmsten der Armen. „Brot für die Welt“ wolle anschlussfähig bleiben für alle politische Bereiche. Manchmal gebe es aber auch parteipolitische Überschneidungen. So fänden sich viele Forderungen des Hilfswerks zum Klimaschutz umgesetzt in der Strategie der Grünen.
Im Bundestag beobachtet Pruin ein nachlassendes Gespür für Kirche und Religion. Während vor 20 Jahren noch die meisten Abgeordneten einen Hintergrund aus der kirchlichen Jugendarbeit gehabt hätten, sei das heute anders. „Da ist etwas verloren gegangen.“ Heute müsse gegenüber Mandatsträgern viel mehr erklärt werden, was religiöses Engagement bedeute.
Der Regensburger katholische Theologieprofessor Heinz-Günther Schöttler sagte, das Christentum sei keine Lehre, sondern eine Praxis. Es komme zuerst aufs Handeln an - danach könne man sein Tun reflektieren. Deshalb seien ihm rechttuende Friedensaktivisten lieber als rechtgläubige Katholiken, sagte Schöttler.