Brandenburg an der Havel (epd). Im NS-Prozess gegen einen früheren Wachmann des Konzentrationslagers Sachsenhausen hat die Staatsanwaltschaft eine fünfjährige Haftstrafe für den 101-jährigen Angeklagten gefordert. Es gebe keinen Zweifel, dass Josef S. als SS-Mann in Sachsenhausen tätig war, sagte Staatsanwalt Cyrill Klement in seinem Plädoyer am Dienstag in Brandenburg an der Havel. Mit einem Urteil wird für den 2. Juni gerechnet. (AZ: 11 Ks 4/21)
Der Angeklagte habe sich nicht nur mit den Zuständen im Lager abgefunden, sondern dort sogar Karriere gemacht, sagte Klement. Er habe nicht die Möglichkeit einer Versetzung genutzt. Auch habe kein Befehlsnotstand vorgelegen. Die Beförderung des Angeklagten zum SS-Rottenführer während seiner Zeit im KZ sei „keine Selbstverständlichkeit“.
Die Staatsanwaltschaft wirft Josef S. Beihilfe zum grausamen und heimtückischen Mord in mehr als 3.500 Fällen vor. Der Angeklagte war den Ermittlungen zufolge in der Zeit zwischen dem 23. Oktober 1941 und dem 18. Februar 1945 als SS-Wachmann in Sachsenhausen tätig. Der in Litauen geborene Baltendeutsche bestreitet dies. Zahlreiche Unterlagen sprechen jedoch dafür.
Im Zusammenhang mit der im KZ eingesetzten Genickschussanlage betonte der Staatsanwalt, der Angeklagte habe sich mit diesen Morden zumindest abgefunden. Seine Beihilfe habe in der physischen und psychischen Unterstützung der Taten bestanden. Bei den Morden im KZ Sachsenhausen durch Erschießung, Vergasung und lebensfeindliche Lebensbedingungen nannte der Staatsanwalt als erschwerende Umstände die Merkmale der Grausamkeit und der Heimtücke.
Der Prozess hatte Anfang Oktober vergangenen Jahres begonnen. Er findet nicht im Landgericht Neuruppin, sondern in der Nähe des Wohnortes des Angeklagten in Brandenburg an der Havel statt, weil Josef S. laut Gutachter nur wenige Stunden am Tag verhandlungsfähig ist.