Bremen (epd). Im Berufungsverfahren gegen den wegen homosexuellenfeindlicher Volksverhetzung verurteilten Pastor Olaf Latzel hat das Landgericht Bremen einem Befangenheitsantrag der Verteidigung gegen die Gutachterin Isolde Karle stattgegeben. Die Aussagen der liberalen Bochumer Theologieprofessorin spielen somit im Prozess keine Rolle mehr, entschied am Montag die Kammer unter dem Vorsitz von Richter Hendrik Göhner. Die Verteidigung hatte der Sachverständigen vorgeworfen, sie sei nicht unparteiisch, habe ihren theologischen Gutachterauftrag mit Aussagen zu Rechtsfragen überschritten und Latzel vorverurteilt.
Karle und der konservative Wiener Bibelwissenschaftler Ludger Schwienhorst-Schönberger waren vom Gericht bestellt worden, um sich zu der Frage zu äußern, ob die Worte Latzels eine theologische Berechtigung haben oder ob es sich um eine persönliche Meinung handelt. Im Oktober 2019 hatte er in einer „biblischen Fahrschule zur Ehe“ vor 30 Paaren unter anderem gesagt, Homosexualität sei eine „Degenerationsform von Gesellschaft“. Er warnte vor einer „Homolobby“: „Überall laufen die Verbrecher rum vom Christopher Street Day. Der ganze Genderdreck ist ein Angriff auf Gottes Schöpfungsordnung, ist teuflisch und satanisch.“ Eine Aufzeichnung des Seminars war zeitweise online auf Latzels Youtube-Kanal zu hören.
Karle hatte Latzel belastet und gesagt, im christlichen Glauben gebe es keine Grundlage, Homosexualität zu verachten. Sie sagte außerdem, er habe sich öffentlich in schwer diffamierender Weise geäußert und damit viele Menschen verstört und verletzt. Schwienhorst-Schönberger hingegen hatte den Angeklagten entlastet und erklärt, seine Aussagen hätten „eine gute biblische Grundlage“.
Die Verhandlung sollte am Montag mit den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung fortgeführt werden. Das Urteil soll am kommenden Freitag (20. Mai) gesprochen werden. In erster Instanz hatte das Bremer Amtsgericht den Pastor der Bremischen Evangelischen Kirche zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, umgewandelt zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 90 Euro. Damit wäre der Theologe nicht vorbestraft. Das Urteil in der Berufung darf nicht härter ausfallen.