Berlin, São Paulo (epd). Die brasilianische Regierung verhindert laut Human Rights Watch Sexualunterricht an Schulen. Abgeordnete und Behörden setzten verhängnisvolle juristische und politische Taktiken ein, um Aufklärung zu verhindern und zu verbieten, erklärte die Menschenrechtsorganisation am Donnerstag bei der Vorstellung eines Berichts zum Thema. Die Autorinnen und Autoren untersuchten dafür 217 Gesetzentwürfe und Gesetze, die von 2014 bis 2022 vorgelegt wurden. Präsident Jair Bolsonaro führe eine Kampagne gegen Aufklärung an Bildungseinrichtungen. Lehrkräfte, die sich für Sexualkunde einsetzten, müssten mit disziplinarischen Maßnahmen rechnen oder würden sogar von der Polizei vorgeladen.
Der rechtsextreme Staatschef Bolsonaro und andere Regierungsmitglieder äußern sich immer wieder abfällig und hetzerisch gegen sexuelle Minderheiten. So behauptete Bolsonaro, Sexualaufklärung in der Schule fördere Homosexualität und sexualisiere die Kinder. Der ehemalige Bildungsminister Milton Ribeiro nannte Sexualaufklärung einen „Anreiz“ für Jugendliche, Sex zu haben. Ribeiro sagte auch, homosexuelle Kinder kämen aus „unangepassten Familien“.
Die Menschenrechtsorganisation befragte für ihren Bericht 56 Lehrkräfte von öffentlichen Schulen, Bildungsexperten, Vertreterinnen und Vertreter von Bildungsministerien und Organisationen der Zivilgesellschaft. Aus den Interviews gehe hervor, dass viele Lehrerinnen und Lehrer Angst hätten, Geschlecht und Sexualität im Unterricht zu thematisieren. Sie berichteten von Schikanen und disziplinarischen Maßnahmen, wenn sie solche Themen im Unterricht behandeln. Gegen einige Lehrkräfte wurden Verwaltungsverfahren eingeleitet, andere wurden von der Polizei verhört.