Nach Protest gegen AfD: Kirche in Gelsenkirchen fürchtet keine Folgen

Nach Protest gegen AfD: Kirche in Gelsenkirchen fürchtet keine Folgen
Superintendent: AfD darf Christentum nicht vereinnahmen
23.04.2022
epd
epd-Gespräch: Nora Frerichmann

Gelsenkirchen (epd). Nach einer kirchlichen Protestaktion gegen die AfD hat der Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Gelsenkirchen und Wattenscheid, Heiner Montanus, keine Angst vor rechtlichen Konsequenzen. „Wir haben die Kirchenglocken nicht pausenlos geläutet, sondern damit zu unseren Gottesdiensten eingeladen“, sagte der leitende Theologe des Kirchenkreises mit rund 78.000 Protestanten dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Die AfD hatte eine evangelische und eine katholische Kirchengemeinde in Gelsenkirchen angezeigt, weil deren Kirchenglocken in der Nähe einer Wahlkampfveranstaltung am 9. April oft geläutet hatten. Die Partei stützt sich auf Paragraf 21 des Versammlungsgesetzes. Darin wird die Absicht unter Strafe gestellt, „nicht verbotene Versammlungen“ zu verhindern oder „grobe Störungen“ zu verursachen. Die Staatsanwaltschaft Essen prüft, ob in dem Fall ein Verdacht auf eine Straftat vorliegt.

Montanus erläuterte, die evangelische Altstadtkirche habe parallel zur Wahlkampfveranstaltung drei Gottesdienste zu den Themen Klimaschutz, Demokratie und Nächstenliebe angeboten. Dazu hätten die Glocken gemäß der Läuteordnung eingeladen und auch zum Vaterunser geläutet. „Mit den Gottesdiensten wollten wir ein deutliches Zeichen gegen Intoleranz und Fremdenhass setzen“, erklärte er.

Der Superintendent stellte sich gegen eine Vereinnahmung des Christentums durch die AfD. Die Partei, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft wird und beobachtet werden darf, berufe sich immer wieder stark auf die Vorstellung eines „christlichen Abendlandes“. Dass ausgerechnet sie nun von läutenden Kirchenglocken irritiert sei, wundere ihn, sagte Montanus.

Die Partei „kapere“ viele religiös geprägte Begriffe und Symbole, ohne den theologischen Hintergrund zu berücksichtigen, kritisierte der evangelische Theologe. So würden Parteimitglieder immer wieder von Nächstenliebe sprechen, den Begriff aber nicht zu Ende denken, kritisierte der Theologe. Nächstenliebe beschränke sich für sie häufig nur auf die eigene Familie oder die eigene Nation.

„Doch Nächstenliebe beinhaltet auch Feindesliebe, dabei müssen also auch Menschen in den Blick genommen werden, die nicht ins eigene Wohlfühl-Bild passen“, sagte der Superintendent. Die AfD hingegen spalte, wenn sie etwa in einem Sechs-Punkte-Plan über „unkontrollierte Zuwanderung auf Kosten von Bürgern und echten Kriegsflüchtlingen“ spreche. Gerade mit Blick auf den Umgang mit Geflüchteten sei aktuell viel Engagement und Fingerspitzengefühl gefragt. „Nächstenliebe kann nicht dazu dienen, Menschen auszugrenzen.“