Es sei ihm klar, dass es nicht in Kyrills Macht liege, den Krieg zu beenden oder die zu beeinflussen, die dies könnten, erklärte der amtierende Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), Ion Sauca, in einem Brief an das Oberhaupt der Russischen Orthodoxen Kirche: "Aber die Gläubigen warten auf tröstende Worte Eurer Heiligkeit."
Viele Gläubigen seien sich sicher, dass eine entsprechende öffentliche Erklärung des spirituellen Oberhauptes von Millionen von orthodoxen Christen sowohl in Russland als auch in der Ukraine möglicherweise Einfluss in dem Konflikt haben könnte, fügte Sauca in seinem bislang zweiten Schreiben an Kyrill hinzu. Im ersten Brief am 2. März hatte er den Patriarchen aufgefordert, in dem Krieg zu vermitteln und zu dessen Ende beizutragen.
In seiner Antwort machte Patriarch Kyrill I. den Westen und das Militärbündnis Nato für die Ursachen des Krieges in der Ukraine verantwortlich. Der tragische Konflikt sei Teil einer "großangelegten geopolitischen Strategie" zur Schwächung Russlands, schrieb der Moskauer Patriarch nach Angaben des ÖRK. Kyrill gilt als enger Verbündeter Putins.
Der Moskauer Patriarch gerät wegen seiner einseitig prorussischen Haltung mit Blick auf den Ukraine-Krieg in der orthodoxen Kirche weiter unter Druck. "Seit Kriegsbeginn sind wir wütend auf Kyrill. Kein Wort hat er zugunsten der Ukrainer verloren", heißt es in einem Gastbeitrag des Metropoliten und Militärbischofs Augustin Markewytsch von der Ukrainischen Orthodoxen Kirche in der Wochenzeitung "Die Zeit". Vor dem Krieg habe Kyrill die Ukrainer als seine Herde bezeichnet. Doch jetzt trete er "als Patriarch der Russen auf". Kyrill müsste zumindest tun, was der Papst tut: "um Frieden bitten. Stattdessen unterstützt er den Krieg."
Die Ukrainische Orthodoxe Kirche ist mit mehr als 12.000 Gemeinden die größte Kirche des Landes und gehört formell zu Moskau, unterstehe also dem Patriarchen Kyrill, fügte Metropolit Augustin hinzu: "Unser oberster Geistlicher in der Ukraine ist jedoch der Metropolit Onufri, der sich klar vom Krieg distanziert hat - und auch von Kyrill." Trotzdem werde seine Kirche jetzt verleumdet: "Wir würden russische Agenten, ja sogar Waffen in unseren Kathedralen verstecken. Das ist bitter!"
Die russisch-orthodoxe Kirche ist die größte Einzelkirche im Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK). Dem Dachverband gehören 352 Kirchen aus mehr als 120 Ländern an, die weltweit über 580 Millionen Christinnen und Christen vertreten. Viele Orthodoxe feiern Ostern eine Woche später als die Mehrheit der Christen. Grund sind unterschiedliche Berechnungen der Feiertage in der westlichen und östlichen Christenheit.