Berlin (epd). Nach monatelangem Ringen stimmt am Donnerstag der Bundestag über eine mögliche Corona-Impfpflicht ab - der Ausgang ist offen. Bis Mittwochnachmittag blieben die Fronten zwischen den Ampel-Abgeordneten, die sofort eine Impfpflicht wollen, und der Union, die sie nur auf Vorrat vorbereiten will, verhärtet. Aus dem Gesundheitsausschuss, der am Nachmittag noch immer zusammensaß, gab es keine Signale einer Einigung. Möglich schien bis zu diesem Zeitpunkt maximal eine Impfpflicht ab 60 Jahren, für die die Ampel eine eigene Mehrheit zustande bringen müsste. Ob das am Donnerstag gelingt, ist offen.
Die Impfpflicht ab 60 war am Dienstag der Kompromiss der beiden verschiedenen Gruppen mit Vertretern aus SPD, Grünen und FDP. Die eine verabschiedete sich damit von der Impfpflicht ab 18 Jahren. Die andere, die zunächst nur eine Pflicht zur Impfberatung für alle Nichtgeimpften wollte, willigte dafür in die sofortige Impfpflicht ein. Ihr gemeinsamer Antrag sieht neben der Pflicht für alle ab 60-Jährigen eine Impfberatung für jüngere, nicht geimpfte Erwachsene vor, mit der Option, für sie im Herbst auch eine Pflicht zu beschließen, sollte die Impfquote dann noch ausreichend sein.
Eine Einigung mit der Union, die mit ihren 197 Stimmen im Parlament eine entscheidende Rolle bei der Abstimmung spielen könnte, gelang aber nicht. Sie bestand weiter auf ihrem Impfvorsorgegesetz, nach dem über eine Impfpflicht insgesamt erst im Herbst entschieden würde. Der CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge kritisierte die Einigung der anderen Gruppen als „Scheinkompromiss“. „Der doppelte Boden dabei ist, dass große Teile der Gruppe an einer Impfpflicht ab 18 unverhohlen festhalten und sie im Herbst beschließen wollen“, sagte er. Das sei „kein mehrheitsfähiger Kompromiss“.
Auch Vertreter der Parteispitze wiesen den Kompromiss zurück. Das „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ berichtete am Mittwoch zudem über ein Schreiben des parlamentarischen Geschäftsführers der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), das die eigenen Abgeordneten dazu auffordere, nur dem eigenen Fraktionsantrag zuzustimmen.
Neben diesen beiden Anträgen gibt es zwei unterschiedliche Anträge gegen die Ausweitung der Impfpflicht. Einer davon stammt aus den Reihen der FDP. Dessen Unterstützer fehlen der Ampel-Gruppe am Donnerstag bei der Abstimmung. Ein anderer Antrag, der auch die Impfpflicht in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen wieder abschaffen will, kommt von der AfD. Die Linke hat keinen eigenen Antrag, steht der Impfpflicht aber eher ablehnend gegenüber.
Im Bundestag wird am Donnerstag über alle Anträge namentlich abgestimmt. In welcher Reihenfolge dies geschieht, steht erst kurz vorher fest. Weil es darüber zwischen den Fraktionen keinen Konsens gab, wird auch das zunächst abgestimmt. Für das ganze Verfahren sind insgesamt laut Tagesordnung rund vier Stunden eingeplant.