Berlin (epd). Der Arbeitsmarktforscher Herbert Brücker rät davon ab, die Flüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland weiter nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer zu verteilen. Nach den Erfahrungen aus dem verstärkten Zuzug von Flüchtlingen 2015 sollte man wissen, dass das der falsche Weg sei, sagte der Experte vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg am Donnerstag bei einer Info-Veranstaltung des Mediendienstes Integration.
Seiner Ansicht nach sollte man die Menschen nicht wie in der Vergangenheit vermehrt in die strukturschwachen Regionen mit hohen Arbeitslosenquoten schicken, nur weil die Städte bei der Wohnraumbeschaffung überlastet seien. „Wir schlagen vor, Arbeitsmarkt- und andere Integrationskriterien zu berücksichtigen.“ Sein Institut arbeite derzeit an einer politischen Alternative zur Verteilung anstelle des Königsteiner Schlüssels, der Wirtschaftskraft und Bevölkerung eines Bundeslandes als Aufnahmeindex festlege.
Brücker verwies darauf, dass es zunächst darum gehe, die vielen Menschen im Zuge der Nothilfe unterzubringen, „die Frage der Arbeitsmarktintegration ist da erst mal nachrangig“. Noch habe man keine belastbaren Daten über die demografische Zusammensetzung der Flüchtlinge, doch sei bereits abzusehen, dass es ganz überwiegend Frauen mit Kindern seien, die nach Deutschland kommen. „Das ist eine Herausforderung für die Jobintegration, denn auch in der Ukraine gibt es ein großes Gendergefälle in der Erwerbstätigkeit.“ Dazu komme, dass die Frauen mit Kindern hier zunächst gewaltige Betreuungsaufgaben hätten.
Die Frage der Bildung, die Betreuung der geflüchteten Kinder in Kitas und die Einschulung der Mädchen und Jungen sei ganz zentral dafür, dass die Arbeitsmarktintegration der Frauen überhaupt funktionieren könne, so Brücker, der auch Direktor des Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) der Berliner Humboldt-Universität ist. Zugleich sei sehr positiv, dass die Flüchtlinge aus der Ukraine „im Vergleich zu anderen Migrantengruppen über ein sehr hohes Bildungsniveau verfügten“.
Dennoch sei davon auszugehen, „dass die Jobintegration am Anfang wegen der noch unzureichenden Betreuung der Kinder und Jugendlichen nicht so schnell anlaufen wird“, sagte der Forscher. Hauptproblem sei, dass es Zeit brauche, bis die Neuankömmlinge ausreichend gut Deutsch sprechen und so überhaupt Chancen auf deinen Job hätten.
Brücker verwies zudem auf Probleme bei der Registrierung von Flüchtlingen, die die Basis für alle weiteren Maßnahmen zur Integration sei. Noch seien nach ihm vorliegenden internen Daten nur 25 Prozent der Flüchtlinge registriert: „Bis dahin existieren diese Menschen für die Behörden gar nicht.“ Die Registrierung funktioniere bislang nur schlecht und „man fragt sich, ob da hinreichend gelernt worden ist aus den Ereignissen 2015“.