München (epd). Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx hat sich am Montagabend mit Betroffenen sexuellen Missbrauchs getroffen. Es sei viel zu lange vernachlässigt worden, „Betroffenen wirklich zuzuhören“, sagte der Kardinal laut Mitteilung seines Erzbistums vom Dienstag. Erst die Beschreibung der Taten „zeigt die Brutalität auf. Ich bin dann immer wieder aufs Neue sprachlos“. Er wolle sich als Bischof nicht aus der Verantwortung ziehen, betonte Marx. Die ganze katholische Kirche müsse sich dem Thema stellen und nach systemischen Ursachen fragen. Das Treffen im Münchner Künstlerhaus stand unter dem Titel „Betroffene hören“.
Richard Kick vom Betroffenenbeirat der Erzdiözese München und Freising zeigte sich nach dem Treffen auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) zufrieden. So ein Gespräch hätten sich die Betroffenen immer gewünscht. Kick sagte außerdem, dass er bei Marx ein „Umdenken“ beobachten könne. Bislang habe der Kardinal betont, dass Betroffene zwar zu ihm kommen könnten, aber offenbar ohne zu bedenken, welche Überwindung das eigentlich für Betroffene bedeutet, sagte Kick. Die Betroffenen hätten immer angemahnt, dass es anders herum sein müsse.
Kardinal Marx habe ihm zugesichert, dass er weiterhin auf die Betroffenen zugehen und sich mit ihnen in kleineren Gruppen oder auch zu Vier-Augen-Gesprächen treffen wolle. „Es ist eine Aufbruchstimmung spürbar. Wir gehen in die richtige Richtung“, sagte Kick. Bei dem Treffen im Münchner Künstlerhaus waren laut Kick etwa 130 Gäste anwesend, davon nach seiner Schätzung rund 20 Betroffene sexuellen Missbrauch. Auf den Stream gab es rund 1.000 Zugriffe.
Mitte Januar wurde ein unabhängiges Gutachten, das Fälle sexuellen Missbrauchs im Erzbistum München in den Jahren von 1945 bis 2019 untersuchte, vorgestellt. Darin finden sich Hinweise auf mindestens 497 Betroffene und 235 Täter, davon 173 Priester. Auch Kardinal Marx und seinem Vorvorgänger im Amt des Münchner Erzbischofs, Joseph Ratzinger, werden im Gutachten Verfehlungen und Versäumnisse vorgeworfen.