Westliche Kräfte hätten nach dem Ende des Kalten Krieges vor mehr als 30 Jahren Russland zu ihrem "Feind" erkoren und seien immer näher an die Grenzen seines Heimatlandes gerückt, erklärte der Patriarch in seinem Antwortbrief an den Weltkirchenrat, dem auch die russisch-orthodoxe Kirche angehört. Der Westen habe im Osten Europas eine Militärpräsenz aufgebaut und die berechtigten Sicherheitssorgen Russlands ignoriert.
Die westlichen Kräfte hätten beschlossen, nicht selbst gegen Russland zu kämpfen. Sie hätten stattdessen versucht, die Brudervölker Russlands und der Ukraine in Feinde zu verwandeln. Die Ukraine sei mit Waffen und Instruktionen zur Kriegsführung überflutet worden. Es sei ein Versuch unternommen worden, die Ukrainer "umzuerziehen", und gegen Russland aufzustacheln.
Kyrill erwähnt laut der englischen Übersetzung des Briefes aus dem Russischen, die der ÖRK zur Verfügung stellte, den russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht. Der geschäftsführende Generalsekretär des ÖRK, Ioan Sauca, hatte Kyrill am 2. März aufgerufen, seine Stimme zu erheben, um den Krieg in der Ukraine zu stoppen.
Patriarch ist enger Verbündeter Putins
Kyrill gilt als enger Verbündeter Putins. Der Mainzer Ostkirchenkundler Mihai Grigore sieht in der orthodoxen Kirche prinzipiell eine Kraft, die den Verlauf des von Russland begonnenen Krieges beeinflussen könnte. Patriarch Kyrill sei mehr als eine Marionette Putins, er hätte durchaus Einfluss, wenn er sich klar positionieren würde.
Auch die meisten anderen orthodoxen Kirchenoberhäupter in der Welt hätten sich bislang nur sehr zurückhaltend zu der Invasion geäußert. Eine klare proukrainische und proeuropäische Stellungnahme habe es vor allem in Rumänien gegeben. ÖRK-Generalsekretär Sauca gehört der rumänisch-orthodoxen Kirche an.
Putin hatte seiner Armee befohlen, am 24. Februar das Nachbarland Ukraine anzugreifen. Ziel der "Militäroperation" ist nach russischer Lesart eine "Demilitarisierung", "Entnazifizierung" und ein neutraler Status der Ukraine.
Die russisch-orthodoxe Kirche ist die größte Einzelkirche im ÖRK. Dem Dachverband gehören 352 Kirchen aus mehr als 120 Ländern an, die weltweit über 580 Millionen Christinnen und Christen vertreten.