Bielefeld, Hannover (epd). Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, hält gegenüber der Ukraine mehr als Solidaritätsbekundungen für notwendig. „Solidarität wird sehr konkret und sehr konsequent gelebt werden müssen, und das wird auch uns selbst in unserem Alltag einiges abverlangen“, sagte die Theologin am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). So würden „erhebliche Preissteigerungen in etlichen Bereichen“ hingenommen werden müssen. Wichtig sei dabei jedoch, dass „die teure Solidarität nicht auf die Knochen und auf Kosten derer geht, die jetzt schon zu wenig haben“.
Kurschus äußerte Verständnis für Waffenlieferungen an die Ukraine, mahnte aber zugleich, dass dies nicht zum gewünschten Ende von Gewalt führe. Die Ukraine sei von einem verbrecherischen Angriffskrieg überzogen worden und die Bevölkerung wolle ihre Freiheit verteidigen. „Ich halte es für schwierig, die geforderten Waffenlieferungen abzulehnen, wenn die Menschen sich nicht allein aus eigenen Kräften verteidigen können“, sagte die Ratsvorsitzende. Waffenlieferungen könnten jedoch zu Kettenreaktionen führen, in denen die Beteiligten die Kontrolle verlieren, warnte sie. „Wie immer wir uns positionieren: Wir können in dieser Situation keine weiße Weste behalten.“
Den Menschen in der Ukraine zu sagen, dass Gebete und Mitgefühl als Solidarität ausreichen müssten, wäre zynisch, erklärte Kurschus. Sie könne nachvollziehen, dass die Ukraine in ihrer Selbstverteidigung unterstützt werde. „Das ist ein echtes Dilemma“, sagte Kurschus, die auch Präses der westfälischen Kirche ist. „Aber wir dürfen dem als Kirchen nicht ausweichen, indem wir schweigen und uns aus der Verantwortung ziehen“, unterstrich sie.
Die 59-jährige Theologin begrüßte die Ankündigung der Bundesregierung, geflüchtete Menschen aus der Ukraine unkompliziert in Deutschland aufzunehmen. Das dürfe jedoch nicht zulasten von Flüchtlingen aus anderen Ländern gehen, mahnte sie. „Wir in den Kirchen werden alles dafür tun, dass die Geflüchteten, die schon bei uns sind, keine Nachteile dadurch haben, dass jetzt mehr und andere dazukommen“, sagte die EKD-Ratsvorsitzende: „Hautfarbe oder Religion oder Kultur dürfen bei der Einschätzung von Not jedenfalls keinen Unterschied machen.“