Vor Zwangsbehandlung ist ärztliche Überzeugungsarbeit erforderlich

Vor Zwangsbehandlung ist ärztliche Überzeugungsarbeit erforderlich

Karlsruhe (epd). Vor einer ärztlichen Zwangsbehandlung bei einem psychisch Kranken muss der Betroffene von der Notwendigkeit der Therapie möglichst überzeugt werden. Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte müssen dabei „ernsthaft, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen Drucks“ versuchen, den Kranken zur freiwilligen Teilnahme an der Therapie bewegen, stellte der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss klar. Andernfalls ist eine ärztliche Zwangsmaßnahme unzulässig, betonten die Karlsruher Richter. (AZ: XII ZB 159/21)

Im Streitfall ging es um einen an einer Schizophrenie erkrankten Mann aus Baden-Württemberg. Die Polizei hatte ihn im Dezember 2020 in die geschlossene Psychiatrie gebracht. Die Klinik beantragte schließlich die Verlängerung der Unterbringung und eine Zwangsbehandlung, um die noch nicht chronifizierte Schizophrenie zu behandeln und bei dem Betroffenen eine „Krankheits- und Behandlungseinsicht herzustellen“.

Das Landgericht Stuttgart hatte der Verlängerung der Unterbringung in der Psychiatrie nach Anhörung eines Gutachters zugestimmt sowie die beantragte Zwangsbehandlung weitgehend gebilligt. Der Gutachter hatte die Zwangsmaßnahmen damit begründet, dass von dem Kranken eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter ausgehe.

Der BGH hielt die zwangsweise Unterbringung zwar für rechtmäßig, nicht aber die beantragte ärztliche Zwangsbehandlung. Diese sei erst dann zulässig, „wenn zuvor ernsthaft, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen Drucks versucht worden ist, den Betroffenen von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen“. Die landesrechtlichen Regelungen verlangten vom Arzt den Versuch, eine „auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu erreichen“. Das zuständige Gericht müsse in jedem Einzelfall feststellen „und in seiner Entscheidung in nachprüfbarer Weise darlegen“, dass solch ein Überzeugungsversuch zur Einwilligung in eine Therapie auch wirklich stattgefunden hat. Dies sei im Streitfall aber nicht erfolgt, befand der BGH.