An der Friedensdemonstration in Köln gegen den russischen Angriff auf die Ukraine haben nach Angaben von Polizei und Veranstalter rund 250.000 Menschen teilgenommen. Die Veranstalter zogen eine positive Bilanz: "Die Kölner und der Karneval haben heute gezeigt, dass alle zusammenstehen, wenn es darauf ankommt", erklärte der Präsident des Festkomitees Kölner Karneval, Christoph Kuckelkorn. "Heute ging es nicht ums ausgelassene Feiern, sondern um lauten und bunten Protest gegen den Krieg in der Ukraine." Die Demonstration für den Frieden in Europa sei ohne Zwischenfälle durch die Kölner Innenstadt gezogen, erklärte die Polizei. Auch die Einsätze von Rettungskräften seien im üblichen Rahmen geblieben, sagte eine Sprecherin der Stadt.
"Mir ist überhaupt nicht nach Feiern zumute. Aber ich habe Verständnis für alle, die feiern", fasste die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) die Bandbreite der Gefühle in der Karnevalshochburg Köln am Rosenmontag zusammen. Reker sprach auf dem Chlodwigplatz zu Beginn der Großdemonstration gegen den Krieg in der Ukraine. Zehntausende hatten sich schon am frühen Morgen auf dem zentralen Platz in der Kölner Südstadt versammelt.
Auch Kuckelkorn war gekommen, um diesen "ganz anderen Rosenmontagszug" zu erklären, den das Komitee kurzerhand zur Friedensdemonstration umgewidmet hatte. Laut Festkomitee handelte es sich bei der Demonstration keinesfalls um einen Karnevalsumzug, weshalb auf typische Elemente wie Persiflage-Wagen, Kutschen, Pferde, Kamelle und Musikkapellen verzichtet wurde. Die Wagen fuhren nicht, sondern waren entlang des Zugweges an ausgesuchten Stellen ausgestellt.
Eigentlich hatte man mit den Wagen vor 8.800 Zuschauern eine Runde im Stadion drehen wollen. Dieses Vorhaben war wegen des Kriegs in der Ukraine abgesagt worden. "Am Donnerstag, an Weiberfastnacht, sind wir in einer anderen Welt wach geworden", sagte Kuckelkorn: "Eigentlich hatten wir in diesem Jahr darauf gehofft, uns unsere kleine kölsche Welt nach zwei Jahren mit dem Karneval zurückholen zu können." Die Sorgen wegen Corona wirkten jedoch klein vor dem, was die Menschen in der Ukraine erleben müssten: "Menschen sterben, flüchten in Todesangst. Kinder leben in Kellern."
"Karneval - ein Lebensgefühl, das Menschen verbindet"
Großen Beifall erhielt Reker, als sie zusagte, dass jede und jeder, die vor Krieg und Gewalt flüchten müssten, in Köln willkommen sei. Sie bewundere den Mut der Russinnen und Russen, die gegen diesen Krieg demonstrierten. Zudem dankte sie allen "mutigen Männern und Frauen in der Ukraine, die einen gewaltlosen Widerstand aufrechterhalten und die sich weiterhin der Demokratie verbunden fühlen". Der Karneval habe den Menschen in Köln in allen Zeiten Halt und Zuversicht gegeben. "Karneval ist für uns nicht irgendein Event. Karneval ist für uns ein Lebensgefühl, das Menschen über alle Grenzen hinweg verbindet."
Der Festkomitee-Präsident zitierte den Titel eines Karnevalshits der Bläck Fööss: "Mir klääve am Lääve" ("Wir kleben am Leben"). Dabei denke er an die Menschen, die in die Panzer steigen, erklärte Kuckelkorn. Und an die, die auf sie schießen sollen. Hier demonstriere ein jeckes, buntes Mosaik aus Alt und Jung. "Wir gehen heute für Menschenwürde und Menschenrechte auf die Straße", sagte er. "Und das an Rosenmontag. Unserem höchsten kölschen Feiertag."
"Putin und die russischen Kleptokraten"
Dann trat Wolfgang Niedecken, Sänger der kölschen Band BAP, ans Mikrofon, der die Umwidmung des Rosenmontagszuges in eine Friedensdemo würdigte. "Ich bin sehr bewegt", sagte der Musiker. "Das kann Zeichen setzen." Niedecken unterstrich, dass nicht die Russen in der Ukraine Krieg führten. "Es sind Putin und die russischen Kleptokraten."
Holger Kirsch, Leiter des Kölner Rosenmontagszuges, startete dann den Demonstrationszug mit dem aus aktuellem Anlass abgewandelten Ruf: "Kölle Alaaf, Ukraine Alaaf, Kölle Alaaf." Denn Alaaf sei nicht nur ein Ausruf der Freude, sondern auch des Friedens, erklärte er.
An der Spitze des Zuges fuhr ein Persiflage-Wagen zur aktuellen Situation: Eine Friedenstaube wird durchbohrt von einem Speer, an dem eine blutgetränkte russische Flagge träge hängt. Auf dem Zugweg ging es eher still zu. Eine Gruppe intonierte im Mantra "Give Peace a Chance" von John Lennon. Aus den Seitenstraßen schlossen sich immer wieder zahlreiche Menschen dem Zug an.
"Rosenmontag wie früher wäre schon schöner", sage Lars Werner, der sich am Waidmarkt anschloss. "Aber das hier ist jetzt wichtiger." Er trug ein Schild mit einer Aufschrift, die das Sessionsmotto "Alles hätt sing Zick" (Alles hat seine Zeit) zitierte, und mit "Krieg nicht" schloss. Die 67-jährige Judith Blass trug ein Schild auf dem Rücken, auf dem sie persönliche Konsequenzen für den Fall einer Energiekrise ankündigte: "Ich dusche kalt."
Am Nachmittag sprach Michael Kramp vom Festkomitee Kölner Karneval schon von 150.000 Teilnehmenden. Die Zahl könnte sich noch erhöhen, weil noch nicht feststehe, wie viele Leute sich noch anschlössen. Es wurden dann mehr als 250.00 Menschen. Die Kneipen in der feierfreudigen Südstadt blieben bis zum späten Nachmittag indes leer.