Bonn (epd). Betroffene von Missbrauch in der katholischen Kirche haben im vergangenen Jahr Anerkennungsleistungen in Höhe von rund 9,4 Millionen Euro erhalten. Bis Ende 2021 seien rund 600 Fälle entschieden worden, heißt es in dem am Freitag vorgestellten ersten Tätigkeitsbericht der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen. Der Betroffenenbeirat der Deutschen Bischofskonferenz kritisierte den Report als zu nüchtern und distanziert. Die Unabhängige Kommission war 2020 von der Bischofskonferenz berufen worden.
Bis Ende 2021 gingen den Angaben zufolge insgesamt 1.565 Anträge auf Anerkennung erlittenen Leids aus den 27 katholischen Bistümern ein. 949 Anträge waren bis Ende 2021 nicht entschieden. Leider sei die Zahl der nicht entschiedenen Anträge immer noch so hoch, dass die Kommission damit nicht zufrieden sein könne, sagte die Vorsitzende des Gremiums, Margarete Reske. Um den Rückstau aufzulösen, sei die Kommission personell noch einmal aufgestockt worden. Betroffene hatten die Dauer der Verfahren und die Höhe der Anerkennungsleistungen bereits in der Vergangenheit kritisiert.
Laut Tätigkeitsbericht wurden im vergangenen Jahr 12,9 Millionen Euro an Anerkennungsleistungen zuerkannt. Ausgezahlt wurden 9,4 Millionen Euro. Die Differenz von 3,5 Millionen Euro ergibt sich durch eine Verrechnung mit bereits früher geleisteten Zahlungen. Von den 606 Antragsstellern, die Leistungen erhielten, waren 481 Männer und 125 Frauen. Die Bistümer Essen, Münster, Freiburg, Speyer und Trier zahlten in Summe je über eine Million Euro an Betroffene. Aus Essen, Münster und Freiburg lagen zudem besonders viele Anträge vor. 128 Anträge seien priorisiert worden wegen des hohen Alters oder einer schweren Krankheit der Betroffenen.
In 47 Fällen entschied die Kommission, Betroffenen Anerkennungsleistungen in Höhe von mehr als 50.000 Euro zuzuerkennen. In sechs Fällen gab es Leistungen über 100.000 Euro. Die Höhe der Summen orientiert sich laut Verfahrensordnung am oberen Ende von Schmerzensgeldzahlungen in vergleichbaren Fällen. Die Verfahrensordnung sieht jedoch nur in Ausnahmefällen höhere Zahlungen als 50.000 Euro vor. Die kirchlichen Institutionen müssen dazu ihre Zustimmung geben, was in jedem der 47 Fälle passiert sei, sagte die ehemalige Kölner Richterin Reske.
Der Betroffenenbeirat der Bischofskonferenz kritisierte, dass der Bericht mit seiner Fixierung auf Zahlen und Daten weder der Situation noch dem Anliegen der von sexuellem Missbrauch Betroffenen in der katholischen Kirche gerecht werde. „Der Geschäftsbericht eines börsennotierten Wirtschaftsunternehmens könnte nicht nüchterner und distanzierter sein“, heißt es in einer Stellungnahme. Betroffenen gehe es nicht um Geld, sondern darum, wahrgenommen zu werden.
Zudem bemängelt der Betroffenenbeirat fehlende Transparenz über die jeweilige Höhe der bewilligten Leistungen angehe. Der Bericht zeige auf, dass die große Zahl der Leistungsbescheide weit unter der Summe von 50.000 Euro im Einzelfall bleibe. Das Anerkennungssystem werde seinem Anspruch und seiner Aufgabe dadurch nur zu einem verschwindend kleinen Teil der Vorgänge gerecht.