Bonn (epd). Für viele Kinder und Jugendliche scheitert das Erlernen eines Instruments einer Studie zufolge an langen Wegen zur Musikschule und hohen Kosten für den Unterricht. In Regionen mit kurzen Entfernungen zur Musikschule und einem dichten Netz an Unterrichtsstätten nehmen deutlich mehr Menschen musikalische Bildungsangebote wahr, wie die am Dienstag in Bonn veröffentlichte Studie „Wege zur Musik“ des Deutschen Musikinformationszentrums (miz) und des Verbandes deutscher Musikschulen (VdM) ergab. Der Vorsitzende des VdM, Ulrich Rademacher, forderte eine stärkere Kooperation mit den allgemeinbildenden Schulen, um mehr Kinder erreichen zu können. Außerdem brauche es höhere Zuschüsse zu den Unterrichtskosten: „Die Gebühren schließen Menschen von Bildungschancen aus.“
In dichter besiedelten Regionen Deutschlands besuchen laut der Studie doppelt so viele Menschen eine Musikschule als in Gebieten mit geringer Bevölkerungsdichte. Positiv wirken sich laut VdM aber auch Förderprogramme in den Schulen aus. Insgesamt nutzen 8,7 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland Angebote der öffentlichen Musikschulen.
Unter den Bundesländern hat Baden-Württemberg der Studie zufolge in den meisten Altersgruppen den höchsten Anteil an Musikschülerinnen und Musikschülern. Dort nehmen 9,8 Prozent der Kinder bis fünf Jahre an Musikschulangeboten teil. Baden-Württemberg verfügt mit 5.216 Unterrichtsstätten auch über die größte Zahl an Musikschul-Standorten. Dazu gehören zum Beispiel auch Räume in allgemeinbildenden Schulen. Zudem ist dort der durchschnittliche Abstand zwischen den Unterrichtsstätten mit drei Kilometern der kürzeste in einem Flächenland. Im Bundesdurchschnitt beträgt dieser 4,7 Kilometer.
Die weitesten Wege haben Musikschülerinnen und -schüler in Mecklenburg-Vorpommern, wo der Abstand zwischen zwei Unterrichtsstätten durchschnittlich neun Kilometer beträgt. Dort haben nur 4,8 Prozent der Vorschulkinder Musikschul-Unterricht. „Die Studie unterstreicht, wie wichtig eine wohnortnahe Versorgung durch Musikschulen ist“, sagte Matthias Pannes, Bundesgescha?ftsfu?hrer des VdM.
Bei Kindern im Grundschulalter liegen Nordrhein-Westfalen und Hamburg vorne. Dort besuchen um die 24 Prozent der Kinder zwischen sechs und neun Jahren eine Musikschule. Grund dafür seien die dortigen Förderprogramme an den Grundschulen, erklärte Pannes. Schlusslicht bei den Grundschulkindern ist Bremen mit nur fünf Prozent. Ausgeglichener stellt sich die Lage bei den Zehn- bis 14-Ja?hrigen dar. Dort liegt der Musikschu?leranteil in den meisten La?ndern zwischen acht und zehn Prozent. Baden-Wu?rttemberg liegt mit 16 Prozent vorne.
Dass bundesweit nur 8,7 Prozent der Kinder und Jugendlichen Angebote in den öffentlichen Musikschulen wahrnähmen, sei nicht zufriedenstellend, sagte VdM-Vorsitzender Rademacher. Das Beispiel der Bundesländer, in denen Förderprogramme an den Grundschulen liefen zeige, dass dadurch ein Viertel der Kinder erreicht werden könne. Der Weg zu mehr Teilhabe an musikalischer Bildung sei eine stärkere Kooperation zwischen Musikschulen und allgemeinbildenden Schulen. Zudem müsse ein durchgehender, guter Musikunterricht in den Schulen gewährleistet werden.
Rademacher forderte außerdem höhere Zuschüsse der Länder für den Unterricht an den Musikschulen: „Die Eltern sollten nicht mehr als ein Drittel der Gebühren zahlen müssen.“ Sibylle Gräfin Strachwitz von der Bundes-Eltern-Vertretung der Musikschulen des VdM kritisierte, dass die Gebühren in jüngster Zeit teilweise sogar erhöht worden seien. Daraufhin habe es Abmeldungen gegeben, weil Eltern sich den Unterricht für ihre Kinder nicht mehr leisten konnten. „Gebührenerhöhungen können nach Corona nicht der Weg sein.“ Deutschlandweit gibt es 933 o?ffentliche Musikschulen mit rund 21.000 Unterrichtssta?tten, die von 1,5 Millionen Menschen besucht werden.