Theologe: Viele Impfgegner bei Pietisten und Evangelikalen

Theologe: Viele Impfgegner bei Pietisten und Evangelikalen
13.02.2022
epd
epd-Gespräch: Klaus Koch

Germersheim (epd). Unter evangelischen Pietisten und Evangelikalen gibt es nach Ansicht des ehemaligen Präses des pietistisch geprägten Gnadauer Gemeinschaftsverbandes, Michael Diener, überdurchschnittlich viele Menschen, die dem Impfen skeptisch bis rigide ablehnend gegenüberstehen. Diese Impfgegner seien zwar auch unter den theologisch konservativen Christen eine Minderheit, sagte der Dekan des Pfälzer Kirchenbezirks Germersheim dem Evangelischen Pressedienst (epd). Doch ihr Anteil sei höher als im evangelischen Durchschnitt.

Die Einstellung pietistischer oder evangelikaler Christen sei nicht einheitlich, sagte Diener, der auch Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland ist. Sie hänge stark von regionaler Herkunft und kultureller Prägung ab. Deshalb warne er vor Verallgemeinerung.

Es gebe unter Pietisten und Evangelikalen Impfgegner, die die Pandemie als Zeichen der gesellschaftlichen Verfallsgeschichte deuten, sagte Diener. Aus ihrer Sicht trügen das Verschwinden des traditionellen Familienbildes, die gleichgeschlechtliche Ehe und liberale Abtreibungsregeln zur Verdrängung christlicher Werte bei. Dem wollten sie sich widersetzen. „Deshalb herrscht in diesen Kreisen ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber dem Staat“, sagte der Theologe.

Als an Ostern 2020 die Gottesdienste wegen Corona ausfielen, ist das nach Dieners Beobachtung als Bestätigung begriffen worden. Die Grundstimmung sei deshalb: „Trau diesem Staat nicht. Er schränkt die Religionsfreiheit ein, wenn er die Gelegenheit dazu bekommt.“ Das führe zur Lagerbildung, sagte Diener. „Pietisten und Evangelikalen sehen sich als die guten, gottesfürchtigen Frommen, als Gegenentwurf zur bösen Welt.“

Hinzu komme bei manchen eine ausgeprägte Wissenschaftsskepsis, sagte Diener. Wer die Evolutionstheorie ablehne, an den Kreationismus glaube und die Jungfrauengeburt als reale Tatsache ansehe, habe öfter auch mal grundlegend Probleme mit wissenschaftlichen Fakten, an denen die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie ausgerichtet seien.

Besonders hanebüchen werde es, so Diener, wenn sich zur Corona- und Impfskepsis auch noch Vorstellungen einer „Weltverschwörung“ hinzugesellten, die angeblich von Menschen wie Bill Gates oder megareichen Firmenimperien angestrebt werde. Das gebe es in pietistischen Kreisen zwar nicht, wohl aber bei einigen extremen Evangelikalen. In diesem Fall sei eine sachliche Diskussion unmöglich. Doch grundsätzlich rate er in den Debatten ums Impfen, die er selbst seit Monaten in den sozialen Medien führe, zum Dialog, sagte Diener.