Frankfurt a.M., Rom (epd). Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat die Opfer sexualisierter Gewalt erneut um Entschuldigung gebeten, zugleich aber keine persönliche Verantwortung für Versäumnisse beim Umgang mit Missbrauchstaten im Erzbistum München übernommen. In einer am Dienstag in Rom veröffentlichten Stellungnahme zu dem vor knapp drei Wochen veröffentlichten Münchner Missbrauchsgutachten schrieb der frühere Münchner Erzbischof: „Ich habe in der katholischen Kirche große Verantwortung getragen. Umso größer ist mein Schmerz über die Vergehen und Fehler, die in meinen Amtszeiten und an den betreffenden Orten geschehen sind.“ Weiter ging er aber nicht auf einzelne Missbrauchsfälle und Vorwürfe aus dem Gutachten ein, die ihm zur Last gelegt werden.
Er könne nur noch einmal seine „tiefe Scham“, seinen „großen Schmerz“ und die „aufrichtige Bitte um Entschuldigung gegenüber allen Opfern sexuellen Missbrauchs zum Ausdruck bringen“, erklärte Benedikt, der mit bürgerlichem Namen Joseph Ratzinger heißt. Die Betroffenen-Initiative „Eckiger Tisch“ erklärte, für Betroffene seien diese Art von „Entschuldigungen“ schwer erträglich. „Joseph Ratzinger bringt es nicht über sich, einfach festzustellen, es tue ihm leid, nicht mehr zum Schutz der seiner Kirche anvertrauten Kinder getan zu haben.“
Der Münsteraner Theologe Thomas Schüller kritisierte, der emeritierte Papst benenne seine Schuld nicht konkret. Benedikt halte eisern daran fest, dass er keine persönlichen Fehler gemacht habe, für die er persönliche Verantwortung und Konsequenzen übernehmen müsste, sagte der Münsteraner Professor für Kirchenrecht dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Auch die katholische Reformbewegung „Wir sind Kirche“ erklärte, Ratzinger sehe sich selbst immer noch als Opfer, das in „übergroße Schuld“ hineingezogen worden sei. „Er ist nicht bereit, zu der nicht delegierbaren Gesamtverantwortung zu stehen, die ein Bischof hat“, sagte Sprecher Christian Weisner dem epd. Der amtierende Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx begrüßte die Stellungnahme Benedikts. Er betonte laut Pressemitteilung, die Erzdiözese nehme das Gutachten „sehr ernst“.
Die Münchner Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl hatten in ihrem Gutachten dem emeritierten Papst Fehler im Umgang mit Missbrauchstätern in vier Fällen in seiner Funktion als Münchner Erzbischof zwischen 1977 und 1982 vorgeworfen. Das Münchner Gutachten verletze die Unschuldsvermutung, sagte der Rechtsanwalt des emeritierten Papstes, Carsten Brennecke, dem „Spiegel“. Der Kölner Jurist sprach von einer „dünnen Indizienlage“ in dem Gutachten.
In einem Sondergutachten befassten sich die Münchner Anwälte mit dem Fall eines Essener Priesters, der als Missbrauchstäter aufgefallen war und 1980 ins Erzbistum München kam. Ratzinger soll damals von den Taten des Priesters gewusst und ihn dennoch in der Seelsorge in verschiedenen Gemeinden eingesetzt haben. Die Gutachter hatten herausgefunden, dass der Priester auch im Erzbistum München weiterhin Kinder missbrauchte. Sein Rechtsanwalt bezweifelt Benedikts Verantwortung in der Sache, es gebe keine Hinweise darauf, dass die für Personalfragen zuständigen Mitarbeiter Ratzinger damals informiert hätten.
Benedikt hatte die Vorwürfe in einer Stellungnahme für die Gutachter bestritten und fälschlich behauptet, an einer Sitzung nicht teilgenommen zu haben, in der über die Personalie des Essener Pfarrers beraten wurde. Die Gutachter widerlegten dies mithilfe des Sitzungsprotokolls. Benedikt hatte die Falschbehauptung nach der Veröffentlichung des Gutachtens öffentlich revidiert.
Der emeritierte Papst bekräftigte in dem Schreiben vom Dienstag, die Falschbehauptung sei versehentlich entstanden. „Dass das Versehen ausgenutzt wurde, um an meiner Wahrhaftigkeit zu zweifeln, ja, mich als Lügner darzustellen, hat mich tief getroffen“, schrieb der 94-Jährige. Auch wenn er beim Rückblick auf sein langes Leben viel Grund zum Erschrecken und zur Angst habe, so sei er doch frohen Mutes, weil er auf die Vergebung Gottes vertraue.