Köln, Berlin (epd). Das UN-Kinderhilfswerk Unicef hat die katastrophale Lage für Kinder in Afghanistan angeprangert. „Die Not der Kinder, die Armut ist allgegenwärtig“, sagte die Pressesprecherin von Unicef Deutschland, Christine Kahmann, dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Dienstag in Berlin nach ihrer Rückkehr aus Kabul. „Auf den Straßen sind uns überall Kinder in verzweifelter Lage begegnet: Kinder, die betteln oder Schuhe putzen, um sich ein bisschen Geld zu verdienen.“ Verschärft werde die Not durch eine Dürre, den anhaltenden Winter und die Wirtschaftskrise.
In dem Land am Hindukusch sind nach Angaben von Unicef 13 Millionen Mädchen und Jungen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Mehr als 1,1 Millionen Kindern sind demnach von Mangelernährung bedroht. „In den Krankenhäusern liegen lebensbedrohlich mangelernährte Kinder“, sagte Kahmann, die vergangene Woche Hilfsprojekte in Kabul und verschiedenen afghanischen Provinzen besucht hat. „Auf den Stationen ist es unglaublich still, die Kinder sind zu schwach, um zu lächeln.“ Viele von ihnen rängen mit jedem Atemzug um ihr Überleben. „Die Not ist einfach überwältigend und spitzt sich weiter zu.“
Anders als befürchtet, sei humanitäre Hilfe auch unter den Taliban möglich, sagte Kahmann. Es seien sogar Gebiete wieder erreichbar, die vorher wegen der Sicherheitslage und den Kämpfen unzugänglich gewesen seien. Die Hilfe sei wichtig und müsse weitergehen. Gleichzeitig brauche es „pragmatische Lösungen“, um die Grundversorgung in Afghanistan sicherzustellen. Vor der Machtübernahme der Taliban seien 70 Prozent der Staatsausgaben von internationalen Gebern finanziert worden. Geberländer könnten Gelder Hilfsorganisationen bereitstellen, damit diese Lehrer oder Ärztinnen direkt bezahlen.
Nach der Machtergreifung der Taliban im August hatten viele Länder die Entwicklungszusammenarbeit mit Afghanistan eingestellt, wodurch sich die Not im Land weiter verschärfte. Insgesamt sind in dem Land laut den Vereinten Nationen 22 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen, mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Am Montag warnte die Hilfsorganisation „Save the Children“ vor einer Zunahme lebensgefährlicher Lungenentzündungen bei afghanischen Kindern. Vor allem unterernährte Jungen und Mädchen sind demnach bedroht.