München (epd). Der im Münchner Missbrauchsgutachten stark kritisierte Offizial des Erzbistums München und Freising, Prälat Lorenz Wolf, will nach Angaben von Erzbischof Kardinal Reinhard Marx vorerst „alle seine Ämter und Aufgaben ruhen lassen“. Marx sagte am Donnerstag in einer ersten inhaltlichen Stellungnahme zu dem vor einer Woche vorgestellten Gutachten der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl, er habe sich nach dessen Lektüre schriftlich an Wolf gewandt. Mit Wolfs Angebot „bin ich einverstanden“, sagte Marx: Wolf wolle „zu gegebener Zeit Stellung nehmen“.
Seit mehreren Tagen steht der Prälat öffentlich in der Kritik. Das Gutachten der Kanzlei hatte den Theologen schwer belastet. Er soll in seinen Ämtern und Funktionen wesentlich dazu beigetragen haben, schwere Missbrauchsdelikte zu vertuschen und zu verharmlosen. Lorenz Wolf ist als Offizial höchster Kirchenrichter im Erzbistum München und Freising, zudem ist er seit 2009 Leiter des Katholischen Büros Bayern. In dieser Funktion ist Wolf Bindeglied der bayerischen Erzbischöfe und Bischöfe zur Staatsregierung, zum Landtag, zu Verbänden und Einrichtungen.
Besonders in den Blick geraten war dabei Wolfs Funktion als Vorsitzender des Rundfunkrates des Bayerischen Rundfunks (BR). Mehrere Rundfunkratsmitglieder hatten nach Veröffentlichung des Gutachtens Wolfs Rücktritt von dieser Funktion gefordert.
Die Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl hatte vergangene Woche ihr unabhängiges Gutachten präsentiert. Demnach gab es im Untersuchungszeitraum von 1945 bis 2019 Hinweise auf mindestens 497 Betroffene sexualisierter Gewalt im Erzbistum. Dem emeritierten Papst Benedikt XVI. etwa wird vorgeworfen, als Münchner Erzbischof in den Jahren 1977 bis 1982 in vier Fällen nicht ausreichend gegen Missbrauchs-Täter vorgegangen zu sein. Auch Kardinal Reinhard Marx werden Verfehlungen vorgeworfen. Er soll Missbrauchsfälle nicht nach Rom gemeldet haben.