München (epd). Das Erzbistum München und Freising will am Donnerstag erstmals inhaltlich zu dem vergangene Woche veröffentlichten Missbrauchsgutachten Stellung nehmen. Die Münchner Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl hatte im Auftrag des Erzbistums seit 2020 Missbrauchsfälle zwischen 1945 und 2019 untersucht. Die Gutachter fanden in diesem Zeitraum im Erzbistum Hinweise auf mindestens 497 Betroffene sexualisierter Gewalt, sowie 235 Täter, darunter 173 katholische Priester.
Zudem werfen sie dem emeritierten Papst Benedikt XVI. Fehler im Umgang mit Missbrauchs-Tätern in vier Fällen in seiner Funktion als Münchner Erzbischof zwischen 1977 und 1982 vor. Auch dem amtierenden Erzbischof Kardinal Reinhard Marx wiesen sie Fehlverhalten in zwei Missbrauchsfällen nach. Er soll in seiner Amtszeit pflichtwidrig Missbrauchsfälle nicht nach Rom gemeldet haben.
Die Gutachter attestierten Marx, der seit 2008 im Amt ist, zwar im Gegensatz zu seinen Vorgängern eine „grundsätzliche Offenheit für die Thematik des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche“. Doch habe auch er eine „passive Rolle“ bei der Aufklärung von Missbrauch eingenommen. Er habe es „gegenüber einschlägig in Erscheinung getretenen Klerikern an der nötigen Entschlossenheit und Klarheit“ fehlen lassen, so das Gutachten.
In einer ersten Reaktion hatte sich Marx angesichts des Ausmaßes von Missbrauchstaten „erschüttert und beschämt“ gezeigt. Als Erzbischof fühle er sich „mitverantwortlich für die Institution Kirche in den letzten Jahrzehnten“ und bitte im Namen der Erzdiözese um Entschuldigung für das erfahrene Leid im Raum der Kirche.
Marx hatte bereits im Mai 2021 Papst Franziskus seinen Rücktritt angeboten. Er wolle mit dem Schritt Mitverantwortung tragen für die „Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten“, schrieb er damals an den Papst. Dieser lehnte sein Rücktrittsgesuch ab. Doch Marx sagte vergangenen Juni, dass er ein erneutes Rücktrittsgesuch nicht ausschließen wolle, „wenn sich eine neue Situation ergibt oder veränderte Umstände, die meinen Dienst grundsätzlich in Frage stellen“.