"Scham und Trauer": Ehemaliger Münchner Erzbischof entschuldigt sich

"Scham und Trauer": Ehemaliger Münchner Erzbischof entschuldigt sich
Das Missbrauchsgutachten für das Erzbistum München beschäftigt die Öffentlichkeit weiter: Ein ehemaliger Erzbischof entschuldigte sich am Dienstag, die deutschen Diözesanbischöfe kündigten eine Fortsetzung der Aufarbeitung an.
25.01.2022
epd
Von Daniel Staffen-Quandt (epd)

München (epd). Das unabhängige Missbrauchsgutachten für das Erzbistum München und Freising schlägt weiterhin Wellen: Am Dienstag entschuldigte sich der frühere Münchner Erzbischof Kardinal Friedrich Wetter für sein „unangemessenes und objektiv falsches Verhalten“ während seiner Dienstzeit zwischen 1982 und 2007. Die 27 deutschen Bischöfe zeigten sich „tief erschüttert“ über das Münchner Gutachten. Ein Mitglied des Betroffenenbeirats des Erzbistums warf dem amtierenden Erzbischof Kardinal Reinhard Marx „fehlende Hirtensorge“ vor.

Kardinal Wetter ließ zwei Mitteilungen über die Pressestelle des Erzbistums an die Medien verbreiten: Darin entschuldigte er sich zum einen für sein Verhalten - vor allem mit Blick auf den Fall des Essener Priesters H., in den auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. verstrickt ist. Seiner Verantwortung zum Schutz der Kinder und Jugendlichen sei er damals „nicht in dem notwendigen Maß gerecht geworden“, dies erfülle ihn „mit Scham und Trauer“. Zugleich wies er die Anschuldigung zurück, sich in 21 Fällen falsch verhalten zu haben. Er komme „zu einem anderen Ergebnis“.

Die 27 katholischen Diözesanbischöfe in Deutschland kündigten an, die Aufarbeitung eigener Schuld an der Vertuschung von Missbrauchstaten in der Kirche fortzusetzen. „Verbrechen und mangelnde Verantwortung werden aufgeklärt, auch wenn der Prozess schmerzhaft ist“, so eine Erklärung des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz vom Dienstag. Um der Wahrheit Willen sei es notwendig, dass „wir Bischöfe uns der Verantwortung stellen, die uns und unsere Vorgänger im Wesentlichen alle gleich betrifft“, heißt es in der Erklärung weiter.

Richard Kick, Mitglied im Betroffenenbeirat des Erzbistums, warf Erzbischof Marx vor, dieser habe seinen „Glauben und das Vertrauen in die Institution Kirche“ durch „fehlende Hirtensorge“ und „moralische Versäumnisse“ zerstört. Er forderte eine angemessene finanzielle Entschädigung für Betroffene.

Unterdessen äußerte sich der Passauer Bischof Stefan Oster verwundert über die Erklärung des emeritierten Papstes Benedikt XVI. zum Missbrauchsgutachten. „Ich frage mich natürlich, wie diese 82-seitige Stellungnahme, die seine Unterschrift trägt, entstanden ist“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ (Dienstag). Benedikt hatte am Montag seine Stellungnahme in einem Punkt revidiert. So will er im Januar 1980 nun doch an einer Sitzung, in der über die Personalie des Essener Priesters beraten wurde, teilgenommen haben. Dass dies in seiner Stellungnahme zunächst anders dargestellt wurde, sei ein redaktioneller Fehler.

Dem vergangene Woche von der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) vorgestellten Gutachten zufolge gab es zwischen 1945 und 2019 Hinweise auf mindestens 497 Betroffene sexualisierter Gewalt im Erzbistum München. Die meisten Taten passierten demnach von Anfang der 1960er bis Mitte der 1970er-Jahre. Dem emeritierten Papst Benedikt XVI. wird vorgeworfen, als Münchner Erzbischof (1977-1982) in vier Fällen nicht ausreichend gegen Täter vorgegangen zu sein. Benedikt bestreitet die Vorwürfe. Kardinal Marx will sich am Donnerstag erstmals zum Inhalt des Gutachtens äußern.