Berlin (epd). Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, hat einen empathielosen Umgang mit Missbrauchsopfern in der katholischen Kirche beklagt. „Der herzlose, konsequente Institutionenschutz wurde über Jahrzehnte praktiziert. Aus den Fällen wurden bürokratische Vorgänge, Empathie für die Betroffenen fehlte“, sagte Rörig dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Donnerstag kurz nach der Vorstellung eines Gutachtens zu Fällen sexualisierter Gewalt im Erzbistum München und Freising. Das Gutachten belastet unter anderem den emeritierten Papst Benedikt XVI. in seiner Rolle als früherer Münchner Erzbischof schwer. Die Gutachter gehen von mindestens 497 Betroffenen aus.
Rörig sagte: „Mir hat die beschämende Kaltherzigkeit höchster Kleriker im Umgang mit sexuell missbrauchten Kindern und Jugendlichen beinahe die Sprache verschlagen, die im Gutachten sichtbar wird.“ Er nannte es erschreckend, dass selbst höchste Kleriker Verfehlungen begangen hätten.
Er sei froh, dass es mit der katholischen Deutschen Bischofskonferenz eine Vereinbarung über die unabhängige Aufarbeitung gebe, sagte Rörig. Es gebe mittlerweile 15 unabhängige Aufarbeitungskommissionen in den 27 katholischen Bistümern, darunter auch im Erzbistum München und Freising.
Von der neuen Bundesregierung forderte Rörig, den Kampf gegen sexuelle Gewalt und ihre Folgen auf der Bundesebene zu stärken und der von ihm 2016 einberufenen Aufarbeitungskommission auch Kontrollrechte einzuräumen. Es sei wichtig, dass der Staat aktiv werden könne, wenn es Probleme bei der Aufarbeitung von Missbrauch in Institutionen gebe.