Köln (epd). Erstmals hat ein katholischer Bischof vor einem deutschen Gericht in einem Missbrauchsprozess ausgesagt. In dem Verfahren gegen einen 70-jährigen katholischen Pfarrer verteidigte der Hamburger Erzbischof Stefan Heße am Dienstag vor dem Kölner Landgericht das damalige Vorgehen des Erzbistums Köln. Man habe konsequent und schnell gehandelt, sagte Heße, der von 2006 bis 2012 Personalchef in Köln war.
In dem Verfahren wird dem Pfarrer sexueller Missbrauch von drei seiner Nichten vorgeworfen, die zum möglichen Tatzeitpunkt zwischen 7 und 13 Jahren alt waren. Die Taten soll er zwischen 1993 und 1999 verübt haben.
Unmittelbar nach dem Eingang eines anonymen Schreibens über die Missbrauchsvorwürfe habe er dem Theologen die Beurlaubungsurkunde überreicht, sagte der als Zeuge in dern Verfahren geladene Heße. Auch wenn die Vorwürfe damals nicht bewiesen gewesen seien, hätten seiner Meinung nach die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ausgereicht, um einen starken Verdacht gegen den Pfarrer zu begründen. Unterstützt hätten ihn der damalige Offizial Günter Assenmacher, oberster Kirchenrichter im Bistum, und die damalige Justiziarin des Bistums.
Sehr zu seiner Enttäuschung hätten die Nichten ihre Aussagen zurückgezogen, und die Staatsanwaltschaft habe das Verfahren anschließend eingestellt, sagte Heße. In seinen Gesprächen mit dem Pfarrer habe dieser sich im Jahr 2010 selbstbewusst und fast barsch gegeben. In seiner Gegenwart hab dieser „ständig alle Vorwürfe laut und deutlich abgestritten“. Nachdem die Nichten ihre Aussagen zurückgezogen hätten, habe der damalige Erzbischof Joachim Meisner entschieden, dass auf eine Meldung an den Vatikan in dieser Angelegenheit verzichtet werden solle.
Die Justiziarin habe eine Meldung gefordert, Offizial Assenmacher habe hingegen davon abgeraten, sagte Heße. Auch er selbst habe Assenmachers Meinung geteilt: „Wir konnten ja nicht nichts melden.“ Daraufhin sei der Pfarrer wieder auf seine Stelle als Krankenhausseelsorger in Wuppertal zurückgekehrt.
Heße hatte im vergangenen Jahr nach der Veröffentlichung des Kölner Missbrauchsgutachtens der Kanzlei Gercke-Wollenschläger dem Papst seinen Rücktritt angeboten, „um Verantwortung für meine Fehler zu artikulieren“, sagte Heße. Papst Franziskus hatte den Rücktritt abgelehnt.
Die Hauptverhandlung wurde bereits im November vergangenen Jahres eröffnet. Die Anklage wurde im Nachgang um zwei weitere mutmaßliche Taten an Minderjährigen aus dem Jahr 2011 ergänzt. Die Nichten des Angeklagten sind in dem Verfahren Nebenklägerinnen.
Der Fall des angeklagten Priesters findet auch besondere Erwähnung in dem Rechtsgutachten, das im März vergangenen Jahres veröffentlicht worden war. Das Gutachten wirft in einem Zwischenfazit Heße eine Verletzung der Aufklärungspflicht vor.