Hannover (epd). Angesichts des Fachkräftemangels in der Pflege fordern Experten ein Umdenken und ein entschlossenes Handeln der Politik. Laut einer Studie des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK) und des Fachmedienhauses Vincentz Network in Hannover gaben 73 Prozent der befragten Mitarbeitenden in der stationären Altenpflege an, der Fachkräftemangel habe sich in den vergangenen zwei Jahren weiter verschärft. 40 Prozent überlegten, den Beruf ganz aufzugeben, weil sie es als schwierig empfänden, ihn mit der nötigen Qualität auszuüben. „Mehr als die Hälfte sagt, die Situation im Pflegealltag habe auch Auswirkungen auf ihr Privatleben“, sagte Vincentz-Chefredakteurin Miriam von Bardeleben am Donnerstag.
Unter dem Titel „Altenpflege im Fokus“ hatten der Berufsverband und das Vincentz Network rund 700 Pflegekräfte befragt. Laut DBfK-Geschäftsführerin Bernadette Klapper gaben 96 Prozent der Antwortenden an, sie glauben nicht, dass die Verantwortlichen aus der Politik ihre Lage verstanden hätten. „Das muss uns sorgenvoll stimmen“, sagte Klapper. Eine Trendwende sei nötig.
Nach der Umfrage sehen 59 Prozent der Befragten eine höhere Bezahlung als wichtig an, um die Attraktivität des Berufes zu steigern und Fachkräfte zu gewinnen. Deutlich mehr halten aber eine bessere Personalausstattung, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie eine gute Ausbildung und eine Erweiterung ihrer Kompetenzen für nötiger. Es brauche ein Konzept, das von einer bundesweit einheitlichen Ausbildung von zwei Jahren für die Pflegeassistenz bis zur Hochschul-Ausbildung reiche, sagte Klapper.
Der Pflegewissenschaftler Hermann Brandenburg betonte, Menschen stiegen aus der Pflege aus, „weil sie ein Dilemma erleben zwischen dem, was sie als gute Pflege verstehen und dem, wie fremdreguliert sie im Alltag arbeiten müssen“. Der Professor für gerontologische Pflege von der Hochschule Vallendar bei Koblenz forderte gesellschaftliche Initiativen auch in den Kommunen, um die Heime nicht allein zu lassen.
Es sei ein Fehler gewesen, den Bereich in den 90er Jahren vermehrt dem privaten Markt zu öffnen. „Das muss politisch rückgängig gemacht werden“, forderte Brandenburg. Dabei gehe es weniger um kleine Betreiber privater Pflegeheime. Mittlerweile gebe es aber internationale Ketten auf dem deutschen Markt, die allein profitorientiert handelten.
Es sei zudem ein „Armutszeugnis“, das Fachkräfteproblem durch die Anwerbung immer weiterer Pflegekräfte aus dem Ausland lösen zu wollen, sagte der Pflegewissenschaftler. „Es regt mich richtig auf, dass wir nicht in der Lage sind, in Deutschland die Sorge für die Hochbetagten, für die Alten und für die Sterbenden, auf deren Schulter wir ja stehen, adäquat, fachlich und professionell sicherzustellen.“ Nötig sei eine „Vision für ein gutes Leben im Heim“, die der Politik fehle.