Potsdam (epd). Im Prozess um den gewaltsamen Tod von vier Schwerstbehinderten im evangelischen Oberlinhaus in Potsdam hat die Staatsanwaltschaft 15 Jahre Haft und die Unterbringung der Angeklagten in der Psychiatrie gefordert. Auch der Verteidiger betonte in seinem Plädoyer am Freitag im Landgericht Potsdam, eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik sei „zwingend notwendig“, äußerte sich jedoch nicht zu einem möglichen Strafmaß. Die Vertreterin der Nebenklage forderte ebenfalls kein bestimmtes Strafmaß, bat jedoch das Gericht darum, auch das Leid der Hinterbliebenen im Blick zu behalten. Das Urteil soll am kommenden Mittwoch fallen. (AZ: 21 Ks 6/21)
Die Staatsanwaltschaft geht wegen einer schweren Persönlichkeitsstörung der Angeklagten Ines R. aus dem Borderline-Bereich von verminderter Schuldfähigkeit, die Verteidigung von völliger Schuldunfähigkeit aus. Sie habe sich des Mordes, des versuchten Mordes, der gefährlichen Körperverletzung und der schweren Misshandlung von Schutzbefohlenen schuldig gemacht, sagte Staatsanwältin Maria Stiller. Wegen der diagnostizierten Persönlichkeitsstörung sollte jedoch von der bei Mord vorgesehenen lebenslangen Haftstrafe abgesehen und die in solchen Fällen höchstmögliche Haftstrafe von 15 Jahren verhängt werden.
Die 52-jährige langjährige Mitarbeiterin des diakonischen Sozialunternehmens, die sich wegen der Ende April verübten Gewalttaten in einer Wohneinrichtung für Behinderte verantworten muss, ergriff nach den Plädoyers kurz das Wort. „Ich möchte mich bei den Angehörigen der Opfer entschuldigen für das Leid, das ich verursacht habe“, sagte sie: „Es tut mir ganz doll leid.“ Sie hätte nicht gedacht, dass es an dem Tag zu einem solchen „Kontrollverlust“ kommen könnte, und könne innerlich nicht glauben, dass sie solche Taten begangen habe.
Die Angeklagte, die davor trotz großer Belastungen einen „tadellosen Lebenswandel“ aufgewiesen habe, habe „hinrichtungsgleich“ vier wehrlose Menschen getötet und eine weitere Bewohnerin schwer verletzt, betonte die Staatsanwältin. Die Taten seien „abgrundtief böse“. Ohne ihre Persönlichkeitsstörung wären diese jedoch so nicht passiert. Für die einzelnen Taten forderte sie jeweils Freiheitsstrafen zwischen acht und zwölf Jahren, die zu einer sogenannten Gesamtfreiheitsstrafe zusammengefasst werden sollen.
Anwalt Henry Timm betonte, seine Mandantin, die immer verständnis- und liebevoll mit anderen umgegangen sei, sei eine „zutiefst kranke“ Frau. Sie habe seit frühester Kindheit mit einer zu Gewaltausbrüchen neigenden Mutter als „Drohkulisse“ ein Leben lang „archaische Ängste“ mit sich herumgetragen, die unter starken Belastungen schließlich zu dem „Wutrausch“ ohne Tatplan und Motiv geführt hätten. Eine Unterbringung in der Psychiatrie könne helfen, „dieses Monster, diesen Dämon“ herauszuholen.
Die psychiatrische Gutachterin hatte am Donnerstag über die Persönlichkeitsstörung der Angeklagten und deren Gewaltfantasien, langjährigen Medikamentenmissbrauch und anhaltende Suizidgefahr berichtet und eine Unterbringung im Maßregelvollzug empfohlen. Sie sei weiter eine Gefahr für sich selbst und andere.