Kassel (epd). Scheidungskindern im Hartz-IV-Bezug darf wegen des Umgangs mit ihrem getrennt lebenden Vater nicht pauschal die Gewährung eines Mehrbedarfs verweigert werden. Eine doppelte Sozialgeldzahlung jeweils für die Bedarfsgemeinschaft bei der Mutter wie auch beim Vater ist aber nicht zulässig, entschied das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem am Dienstag verkündeten Grundsatzurteil. (AZ: B 14 AS 73/20 R)
Im konkreten Fall ging es um zwei Kinder im Hartz-IV-Bezug, die im Streitzeitraum September und Oktober 2014 elf und 14 Jahre alt waren. Die Eltern hatten sich 2012 getrennt und erhielten Arbeitslosengeld II. Die Kinder wohnten hauptsächlich bei der Mutter, besuchten jedoch den Vater an jedem zweiten Wochenende sowie in den Ferien.
Als das Jobcenter Dortmund von den Umgangsregeln erfuhr, hatte dies Auswirkungen auf die Sozialgeldzahlungen für die Kinder. So wertete die Behörde den Besuch der Kinder beim Vater als temporäre Bedarfsgemeinschaft. Für diese Zeit floss das Sozialgeld der Kinder auf das Konto des Vaters. Gleichzeitig musste die Mutter für die Umgangszeit der Kinder bei ihrem ehemaligen Mann mit weniger Sozialgeld auskommen.
Doch damit sei ihr Existenzminimum gefährdet, trugen die Kinder vor. Denn auch wenn sie beim Vater seien, fielen bei der Mutter für sie ebenfalls Kosten an, etwa für Strom, Bekleidung oder Hausrat. Ihnen müsse daher für Umgangstage beim Vater doppeltes Sozialgeld zustehen, einmal für den Aufenthalt beim Vater und einmal für die weiter bestehenden Kosten bei der Mutter. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hatte dies mit Urteil vom 13. August 2020 abgelehnt.
Das BSG verwies das Verfahren an die Vorinstanz zur weiteren Prüfung zurück. Aber auch die obersten Sozialrichter urteilten, dass die Kläger kein doppeltes Sozialgeld verlangen können, auch wenn sie ihre Umgangsrechte mit ihrem Vater wahrnehmen. Halten sie sich beim Vater auf, können sie kein weiteres Sozialgeld bei der Mutter erhalten. Letztlich könne derjenige Elternteil für jenen Tag die Hartz-IV-Leistung der Kinder erhalten, bei dem sich das Kind mindestens zwölf Stunden am Tag aufhält.
Fallen bei den Kindern aber wegen ihres Umgangs mit dem Vater Mehrbedarfe an, sei das Jobcenter in der Pflicht, urteilte das BSG. Eine pauschale Ablehnung der Bedarfe sei nicht zulässig. Welche Mehrbedarfe, etwa für Bekleidung oder Hausrat, in welcher Höhe angefallen sind, müsse das LSG noch feststellen. Auch müsse geklärt werden, wann genau sie sich beim Vater aufgehalten und dort eine temporäre Bedarfsgemeinschaft gebildet haben.