Irene Bauer legt ein kleines Bild auf den Tisch, das sie vor vielen Jahren gezeichnet hat. Es zeigt die Kirche, in der sie und ihr Mann geheiratet haben und in der auch ihre Kinder und Enkelkinder getauft wurden: die evangelische Christuskirche in Utting am Ammersee. "Wir verbinden mit ihr so viele schöne Erinnerungen", erzählt Irene Bauer. Ende August dann der Schock: Die Holzkirche wird bei einem Brand komplett zerstört. "Ich war völlig fertig", sagt Irene Bauer. Aus den Ruinen haben die Bauers noch viele Überbleibsel gerettet - die Weihnachtskrippe etwa, ein Stück vom Taufstein, ein Gesangbuch und die vom Feuer deformierten Orgelpfeifen. Und sie überlegten, was sie tun können, um den Wiederaufbau der Christuskirche zu unterstützen.
Nach einigem Grübeln und verworfenen Ideen dann der ambitionierte Plan: Aus dem geschmolzenen Zinn der Orgelpfeifen fertigen die Bauers Christuskirchen im Miniaturformat - und zwar nach Irenes Zeichnung. 100 Zinnkirchen mit Sammlernummer haben die beiden angedacht, die sie gegen eine Spende von jeweils 100 Euro abgeben wollen. Am Ewigkeitssonntag habe sie Pfarrerin Alexandra Eberhardt und der Kirchengemeinde das erste Zinnkirchlein präsentiert - und sei auf eine Riesenbegeisterung gestoßen, sagt Irene Bauer. Die Spender stünden Schlange und hätten schon vorbestellt, erzählt Pfarrerin Eberhardt, immer noch sichtlich begeistert von der Idee.
Ein Zinnkirchlein gesichert hat sich unter anderem auch die Urenkelin des Architekten des ersten Teils der Christuskirche. Johanna Gradl-Trump schrieb sofort an Eberhardt, als sie von den Miniaturkirchen im Internet erfuhr. Sie seien eine wunderbare Erinnerung für die Familie. Auch ein Mann aus Nürnberg meldete sich, der als Kind seine Ferien in Utting verbracht hatte und sich lebhaft an die Kirche erinnerte. "Es war eine so schöne Zeit", schreibt der Mann. Alexandra Eberhardt freut sich über solche Geschichten. Sie hat das Gefühl: So schlimm das Brandunglück auch war - irgendwie habe es die Menschen auch einander näher gebracht. Die Solidarität mit der Kirchengemeinde sei jedenfalls riesig.
Zahntechnikwissen hilft beim Zinngießen
Die Bauers schütteln derweil immer noch ungläubig den Kopf, wenn sie von ihrer Miniaturkirchen-Idee erzählen und von all der Euphorie drumherum. Hinter den Zinnkirchlein steckt jedenfalls eine Heidenarbeit, und die Bauers sind keine Zinngießer, weder beruflich noch hobbymäßig. Ganz bei Null mussten sie aber nicht anfangen. Denn als Berufsschullehrer habe er die Grundlagen des Metallverarbeitens unterrichtet, wozu auch das Gießen gehört, erzählt Peter Bauer. Und fachlichen Rat habe er sich im benachbarten Dießen geholt, wo das Zinngießen eine jahrhundertelange Tradition hat.
Peter Bauer weiß jedenfalls, wovon er spricht: Das Zinn hat er in einem ersten Schritt in Barren umgeformt. Die Schwiegertochter hat ihre Fähigkeiten als Zahntechnikerin eingebracht und eine kleine Christuskirche aus speziellem Wachs modelliert, Peter Bauer hat dazu dann eine entsprechende Gussform aus Silikon angefertigt. Nach dem Gießen, Abkühlen und dem Feinschliff hält man schließlich eine kleine Christuskirche aus Zinn in der Hand, die in einem letzten Schritt noch originalgetreu bemalt wird. Ins Auge sticht vor allem die Eingangstür mit ihren markanten rot-blauen Streifen. Die originale Holztür konnte übrigens gerettet werden und soll in die neue Kirche eingebaut werden.
"Alles hat zwei Leben"
Als "Fundament" für das Zinnkirchlein dient ein Stück verkohltes Holz aus der Brandruine. "Alles hat zwei Leben", sagt Peter Bauer. Auch der Weihnachtskrippe, die er aus der Brandruine gerettet hat, konnte er ein zweites Leben einhauchen: Er hat sie repariert, an Heilig Abend soll sie bei den Andachten auf der Kirchenwiese zum Einsatz kommen. Aber langsam stoßen auch die Bauers an ihre Grenzen. 100 Miniaturkirchen können sie fertigen. Gibt es aber noch mehr Nachfrage - wovon wohl auszugehen ist -, dann bräuchten sie freiwillige Helfer mit einer ruhigen Hand, die die Kirchlein bemalen.
Mindestens 10.000 Euro will das Ehepaar Bauer mit seiner Aktion generieren. Geld, das die Gemeinde für den Wiederaufbau der Christuskirche natürlich gut brauchen könne, sagt Pfarrerin Eberhardt. Die genauen Kosten stünden noch nicht fest, man gehe aber von einem siebenstelligen Betrag aus, der zu Teilen von der bayerischen Landeskirche und von Versicherungen übernommen wird. Alexandra Eberhardt hofft, dass in zwei Jahren die hölzerne Christuskirche wieder steht - und zwar genauso so, wie sie vorher aussah.