Der mit den wilden Kerlen kämpfte: Maurice Sendak ist tot

dpa/Frank Armstrong/Rosenbach Museum
Maurice Sendak 1985 im Rosenbach Museum in Philadelphia.
Der mit den wilden Kerlen kämpfte: Maurice Sendak ist tot
Der Kinderbuchautor und Illustrator starb am Dienstag im Alter von 83 Jahren.
Der Bilderbuch-Klassiker "Wo die wilden Kerle wohnen" machte den US-amerikanischen Kinderbuch-Illustrator Maurice Sendak weltberühmt. Am Dienstag ist er im Alter von 83 Jahren gestorben.
09.05.2012
epd
Wilhelm Roth

Was für ein Traum: Max fährt übers Meer zu dem Ort, wo die wilden Kerle wohnen, Ungeheuer mit fletschenden Zähnen, Krallen und Hörnern. Aber Max, der rebellische kleine Max, der gerade noch seine Mutter geärgert hat, fürchtet sich nicht vor ihnen. Sie nehmen ihn in ihren Kreis auf, ganz spielerisch kann er hier seine Wut abreagieren. Als er aus seinem Traum erwacht, sieht er, seine Mutter hat ihm verziehen und ihm doch noch ein Essen hingestellt.

"Wo die wilden Kerle wohnen", 1963 erschienen, ist das bekannteste der mehr als 80 Bücher des US-amerikanischen Illustrators und Kinderbuch-Autors Maurice Sendak. Am Dienstag starb Sendak nach Angaben des Diogenes-Verlags in Danbury im US-Bundesstaat Connecticut an den Folgen eines Schlaganfalls.

Bei Eltern und Erziehern löste "Wo die wilden Kerle wohnten, vor allem Empörung aus, weil der freche Max nicht bestraft wurde. Auch "In der Nachtküche" von 1970 hat Sendak Kritiker und Erzieher verstört: Mickey, der Held des Buches, hat einen Alptraum, aus dem er sich mit eigener Kraft befreit: Er wird von drei Bäckern, die alle wie der Filmkomiker Oliver Hardy aussehen, in den Teig gerührt, in den Ofen geschoben und mitgebacken. Doch Mickey sprengt alles und fliegt nackt davon. Nicht für Erwachsene, wohl aber für Kinder, so erzählte Sendak, war diese Nacktheit völlig natürlich.

Kindheit ohne jede Sentimentalität

In allen seinen Büchern, für die er oft auch selbst die Texte schrieb, hat Maurice Sendak sich auf die Seite der Kinder gestellt. Ihre Leiden, Träume und Fantasien nahm er ernst: "Es sollte mehr ernsthafte Bücher für Kinder geben. Es ist erniedrigend für ein Kind, wenn man so schreibt wie für einen Idioten."

Zeichnung aus "Wo die wilden Kerle wohnen". Bild: Maurice Sendak/Diogenes Verlag AG

Die Kindheit sieht er ohne jede Sentimentalität. Darum mochte er zum Beispiel die Filme von Steven Spielberg nicht und auch nicht die niedlichen späten Disney-Produktionen, während er Max und Moritz und die wilde frühe Mickey Mouse liebte.

Geboren ist Sendak 1928 in Brooklyn als Kind polnisch-jüdischer Einwanderer, sein Vater war Schneider. Alle seine europäischen Verwandten sind später in den Nazi-Vernichtungslagern umgebracht worden. In seinem Buch, "Brundibar" von 2002 (deutsche Übersetzung 2004), hat er ihnen ein Denkmal gesetzt.

Zusammen mit dem Autor Tony Kushner machte er ein Buch aus der Kinderoper von Hans Krasa, die den verfolgten jüdischen Kindern in der Tschechoslowakei gewidmet war. "Brundibar", wo die Kinder noch einmal über alle Widrigkeiten siegen, wurde allein in Theresienstadt 55 Mal aufgeführt.

Astrid-Lindgren-Preis im Jahr 2003

Der eher introvertierte Sendak begann früh zu zeichnen, belegte als junger Mann Abendkurse und verdiente sein Geld als Schaufensterdekorateur. Schon ab 1951 illustrierte er Kinderbücher, der große Erfolg kam mit den "wilden Kerlen". Unter seinen vielen Auszeichnungen ragt der Astrid-Lindgren-Preis heraus, den er zusammen mit Christine Nöstlinger 2003 erhielt.

Sendak war von der europäischen Kultur geprägt. Seine Bilderwelt speiste sich nicht zuletzt aus der deutschen Romantik, erinnerte an die Maler Philipp Otto Runge oder Caspar David Friedrich. Besonders liebte er Wolfgang Amadeus Mozart: Seine Melodien könne er fast alle auswendig pfeifen, sagte Sendak einmal.