Nürnberg (epd). Zur Eröffnung der Fachmesse ConSozial 2021 am Mittwoch in Nürnberg haben Politiker und Fachleute dazu aufgerufen, die Arbeitsbedingungen in sozialen Berufen zu verbessern. Andernfalls werde es immer schwerer, genügend Fachkräfte für Kitas, Pflegeheime oder Krankenhäuser zu finden, sagte Markus Gruber, Amtschef im Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, zum Auftakt des Branchentreffens. „Wir brauchen sie Tag für Tag, denn sie stiften mit ihrer Arbeit Sinn.“ Nie sei das so deutlich geworden wie in der Corona-Pandemie.
Gruber verwies exemplarisch auf die stark belasteten Intensivstationen, wo wegen fehlenden Pflegepersonals viele Intensivbetten nicht mehr belegt werden könnten. „Wichtig waren soziale Berufe schon vor der Pandemie“, sagte der Amtschef. Doch durch Corona sei deutlich geworden, „dass nichts mehr geht, wenn sie nicht da sind“. Es sei Aufgabe der ganzen Gesellschaft, das tägliche Engagement in den sozialen Berufen „mit Kopf und Herz“ mehr zu würdigen. Dann, so Gruber, würden diese Berufe auch wieder attraktiver für den Nachwuchs.
Gerhard Timm, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW), sagte mit Blick auf die laufenden Koalitionsverhandlungen in Berlin, die Pflege gehöre ganz nach oben auf die politische Agenda. „Wir brauchen dringend einen Systemwechsel.“ Der demografische Wandel spitze die Lage weiter zu.
Corona habe das soziale Sicherungssystem hierzulande „einem nie dagewesenen Stresstest unterzogen“, sagte Timm. Doch die Branche habe sich bewährt, urteilte er und verwies exemplarisch auf den „tollen Einsatz, den Pflegekräfte geleistet haben und noch immer leisten“. Das soziale Hilfesystem müsse jedoch weiter krisenfest gemacht werden, etwa durch schnelle Fortschritte bei der Digitalisierung.
Die ehemalige Bundesfamilienministerin und Professorin Ursula Lehr (91) wurde mit dem mit 4.000 Euro dotierten ConSozial-Wissenschaftspreis 2021 für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Die CDU-Politikerin habe sich zahlreiche Verdienste erworben, besonders auf dem Feld der Psychologie des Alterns und bei der Gleichberechtigung von Frauen, sagte Markus Gruber bei der Preisverleihung auf der Messe.
Ursula Lehr gilt vielen als „Gerontologin der ersten Stunde“ in Deutschland. Von 1988 bis 1991 war sie Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit im Kabinett von Helmut Kohl (CDU). In dieser Zeit entstand unter ihrer Leitung der erste Altenbericht der Bundesregierung samt Bundesaltenplan.
Lehr rief die Gesellschaft auf, die gewaltigen Herausforderungen des Alterns anzunehmen. Die Seniorinnen und Senioren sollten versuchen, geistig und körperlich aktiv zu bleiben, „was durch Corona ja leider sehr in den Hintergrund getreten ist“. An die Adresse der Fachkräfte sagte sie: „Ältere Menschen sollte man nicht nur betreuen, sondern immer auch anhalten, selbst etwas zu tun.“
Der Wissenschaftspreis in der Kategorie Nachwuchs ging an Enikö Schradi. Sie erhält 4.000 Euro Preisgeld für ihre Masterarbeit an der Hochschule Landshut mit dem Titel „Miteinander reden und voneinander lernen - Evaluation des Borderline-Trialogs in Landshut“. Mit ihren Forschungsergebnissen liefere die junge Forscherin einen wertvollen Beitrag für die Praxis der psychiatrischen Arbeit, heißt es in der Laudatio.
Die Fach-und Kongressmesse ConSozial findet noch bis Donnerstag in Nürnberg statt.