Berlin (epd). Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat die Novemberpogrome vom 9. November 1938 als „Orgie barbarischer Gewalt“ bezeichnet. Sie zählten zu den schrecklichsten und beschämendsten Momenten deutscher Geschichte, sagte sie am Dienstag bei einer Gedenkveranstaltung in der Berliner Jüdischen Gemeinde im Beisein von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Unzählige jüdische Frauen, Männer und Kinder seien damals gedemütigt, misshandelt, vergewaltigt oder ermordet worden.
Die Vernichtung regen jüdischen Lebens sei vor den Augen aller geschehen: „Wer sehen wollte, konnte sehen“, sagte Lambrecht. Doch die meisten hätten weggesehen oder gar applaudiert. Vor diesem Hintergrund äußerte sich die Bundesjustizministerin zutiefst besorgt über zunehmenden Antisemitismus in Deutschland. Es sei unerträglich, dass es auch in Berlin Gegenden gebe, die Jüdinnen und Juden lieber meiden.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) beklagte bei der Gedenkveranstaltung einen wachsenden Antisemitismus. Auf Demonstrantionen gegen die Corona-Maßnahmen würden gelbe Sterne getragen und der Holocaust relativiert, sagte Müller. Er betonte vor diesem Hintergrund die „herausragende Bedeutung dieses Gedenkens für Freiheit und Demokratie“.
Auf die Fassade des Jüdischen Gemeindehauses wurde eine Simulation der am selben Ort befindlichen Synagoge projiziert, die am 9. November 1938 in Brand gesteckt wurde. Zum Gedenktag wurden zudem die Namen der 55.696 ermordeten Berliner Juden aus dem Gedenkbuch des Landes Berlin vorgelesen.