Frankfurt a.M. (epd). Die „Sea Eye 4“ hat am Donnerstagnachmittag einen Hafen für mehr als 800 gerettete Flüchtlinge gesucht. „Die Situation ist absolut einmalig, das hatten wir in den letzten Jahren so noch nicht“, sagte der Sea-Eye-Vorsitzende Gordon Isler dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die 24 Crewmitglieder seien extrem belastet. „Hinzu kommt, dass die hygienische Versorgung an Bord nicht ausreicht.“ Auch das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium müssten die „Sea Eye 4“ bei der Suche nach einem Hafen unterstützen.
Das private Rettungsschiff hatte die Flüchtlinge und Migranten seit Dienstag bei sieben Einsätzen im Mittelmeer gerettet. Alleine in der Nacht zu Donnerstag nahm die „Sea Eye 4“ bei einem gemeinsamen Einsatz mit der „Rise Above“ des Dresdner Vereins Mission Lifeline etwa 400 Menschen an Bord auf. Insgesamt seien Schätzungen zufolge bis zu 850 Menschen auf dem Schiff, darunter mehr als 200 Kinder, sagte Isler. „An Bord ist es so eng, wir können gar nicht mehr genau zählen.“
Eine Person musste nach Angaben von Sea Eye nach der Rettung reanimiert werden. Momentan sei keiner der Geretteten in Lebensgefahr, sagte Isler. „Das kann sich jedoch von Minute zu Minute ändern.“ Aufgrund der Enge und der Dunkelheit unter Deck seien mehrere Personen kollabiert. „Unsere Krankenstation ist dauerhaft in Betrieb.“ Auch auf der von SOS Méditerranée unterhaltenen „Ocean Viking“ befinden sich nach einer Rettung am Mittwochabend nach eigenen Angaben 245 Überlebende an Bord, darunter ebenfalls mehrere Kinder.
Am Donnerstag steuerte die „Sea Eye 4“ die italienische Insel Lampedusa an. Die italienischen Behörden wiesen dem Schiff trotz Anfragen nach Angaben der Organisation zunächst keinen Hafen zu. „Würde man dort menschlich handeln, hätten wir einen schnellen Rückruf bekommen“, sagte Isler. Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hieß es auf Anfrage des epd, man stehe in Kontakt mit der „Sea Eye 4“ und habe die Lage auf dem Mittelmeer im Blick. Isler forderte ein klares Signal der großzügigen Aufnahmebereitschaft Deutschlands.
Die „Sea-Eye 4“ ist ein Bündnisschiff, das maßgeblich durch das von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) initiierte zivile Seenotrettungsbündnis United4Rescue finanziert wird. Das Bündnis forderte ebenfalls die Zuweisung eines Hafens: „Politik darf keine Rolle spielen, wenn es um die Gesundheit und das Leben von Menschen geht.“ Alle Geretteten müssten sofort an Land gebracht werden.
Die Überfahrt über das Mittelmeer gehört zu den gefährlichsten Fluchtrouten der Welt. Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind in diesem Jahr bislang mindestens 1.559 Menschen bei der Überfahrt ums Leben gekommen oder werden vermisst. Die Dunkelziffer könnte weit höher liegen.