Berlin (epd). Wenn es zu einer Ampel-Koalition kommt, will die nächste Bundesregierung den gesetzlichen Mindestlohn auf zwölf Euro in der Stunde anheben und ein Bürgergeld anstelle der Harz-IV-Leistungen einführen. Das haben SPD, Grüne und FDP bei ihren Sondierungsgesprächen vereinbart, die am Freitag in Berlin abgeschlossen wurden. Die Spitzen der drei Parteien traten danach vor die Presse. Sie hatten sich zuvor verständigt, in Koalitionsverhandlungen eintreten zu wollen. Darüber sollen ihre Parteien bis Anfang kommender Woche entscheiden.
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz und die Parteivorsitzenden der Grünen, Annalena Baerbock und Robert Habeck, sowie der FDP-Vorsitzende Christian Lindner zeigten sich sehr zufrieden mit den Ergebnissen. Man habe sich einerseits um „klare Richtungsentscheidungen bemüht“, sagte Lindner, zeige andererseits aber auch, dass sich sehr unterschiedliche Parteien verständigen könnten. Scholz sprach vom „größten industriellen Modernisierungsprojekt in Deutschland seit 100 Jahren“, Habeck davon, dass die mögliche Koalition „eine echte Schubkraft“ entwickeln könne.
Aus dem gemeinsamen Papier über die Ergebnisse der Sondierung geht hervor, dass der Mindestlohn von derzeit 9,60 Euro auf zwölf Euro erhöht wird und danach die Mindestlohnkommission für künftige Anpassungen zuständig bleibt. Die Verdienstgrenze für Minijobs soll von 450 auf 520 Euro pro Monat angehoben werden. Zugrundegelegt wird dafür einen Wochenarbeitszeit von zehn Stunden. Die Grenze für Midijobs steigt auf 1.600 Euro (derzeit 1.200 Euro).
Die möglichen Koalitionäre vereinbarten weiter, dass die bisherige Grundsicherung (Hartz IV) durch ein Bürgergeld ersetzt und vereinfacht werden soll. Ob die Erleichterungen beim Schonvermögen und der Überprüfung der Wohnkosten während der Corona-Pandemie beibehalten werden, ist offen. Das soll geprüft werden.
Um mehr Kinder aus der Armut zu holen, sollen alle finanziellen Leistungen für Kinder in einer Kindergrundsicherung zusammengeführt werden. Gegenwärtig erhalten arme Kinder Hartz-IV-Leistungen und diverse Teilbeträge für Bildung, Sport oder Schulessen. Die Rechte von Kindern sollen im Grundgesetz verankert werden. Die Debatte darüber war schon in der vergangenen Legislaturperiode geführt worden, ein Beschluss aber an der Union gescheitert.
Einen Schritt Richtung Bürgerversicherung, wie ihn Grüne und SPD wollten, wird es nicht geben. „Die gesetzliche und die private Kranken- und Pflegeversicherung bleiben erhalten“, heißt es in dem Papier.
Ein Modernisierungsschub soll auch das Familienrecht, das Staatsangehörigkeitsrecht und das Abstammungsrecht verändern. „Wir wollen unsere Rechtsordnung der gesellschaftlichen Realität anpassen“, heißt es dazu im Sondierungspapier. Konkret nennen SPD, Grüne und FDP, dass sie neben der Ehe und Lebenspartnerschaften eine Verantwortungsgemeinschaft einführen wollen. In Frankreich gibt es eine solche Rechtsform bereits. Damit werden etwa Familien mit mehr als zwei leiblichen oder sozialen Eltern rechtlich abgesichert.