Gießen (epd). Greenpeace hat nach Ansicht der Umwelthistorikerin Anna-Katharina Wöbse vor 50 Jahren eine neue Epoche der Umweltbewegungen eingeleitet. Die bis dahin existierenden Naturschutzbewegungen seien eher gesellschaftlich konform und sehr naturwissenschaftlich geprägt gewesen, sagte die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Biologiedidaktik der Justus-Liebig-Universität Gießen dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Die Aktivisten von Greenpeace waren ganz andere Typen: Sie waren Hippies, wild, jung und unrasiert.“
Am 15. September 1971 hatte der ehemalige Fischkutter „Phyllis Cormack“ mit einem Greenpeace-Schild an der Brücke und zwölf Aktivisten an Bord den Hafen von Vancouver in Richtung der Vulkaninsel Amchitka verlassen. Sie wollten sich dort einem unterirdischen Atomwaffentest der USA entgegenstellen. Sie kamen zwar nicht bis dorthin, konnten die Zündung aber verzögern. Es war der Gründungsakt von Greenpeace.
Mit ihren Aktionen und ihrem Auftreten hätten die ersten Aktivisten wunderbar an die soziale Bewegung und Jugendkultur der Zeit angeschlossen und Umwelt- mit Friedensthemen gekoppelt, sagte Wöbse: „Schon die Namensgebung 'Greenpeace' war genial, weil ganz klar ist, wofür die Organisation steht.“ Auch das Logo werde bis heute sofort erkannt.
Heute hat die Organisation über 55 Ländervertretungen und mehr als drei Millionen Unterstützer weltweit, davon mehr als 630.000 Fördermitglieder allein in Deutschland. Greenpeace sei so groß geworden, weil die Organisation von Anfang an öffentlichkeitswirksam gehandelt habe, erklärte die Umwelthistorikerin. Bis heute trage das die Umweltschützer: „Jeder hat einen riesigen Bilderkanon im Kopf, wenn er Greenpeace hört.“
„Vor allem die Aktivisten in den kleinen verletzlichen Schlauchbooten neben den gigantischen Stahlmonstern der Walfangschiffe oder Frachter bleiben in Erinnerung. Diese Bilder sind eine kluge Taktik“, sagte Wöbse. Eine weitere Besonderheit von Greenpeace war ihr zufolge, dass die Umweltschützer konfrontativ waren. „Die Aktivisten und Aktivistinnen, die sich irgendwo anketteten oder mit dem Schlauchboot rausfuhren, setzten ihre eigene körperliche Unversehrtheit aufs Spiel. Mit diesem hohen Risiko gaben sie ihrem Handeln etwas Edelmütiges, machten aber gleichzeitig auch deutlich, dass es sich um ein wirklich wichtiges Thema handelte.“ Das gebe ihnen Authentizität und Glaubwürdigkeit.