Kiel (epd). Geflüchtete leiden bei ihrem Aufenthalt in deutschen Flüchtlingsunterkünften einer Studie der Universität Kiel zufolge unter Rassismus, Lärmbelastung, mangelhafter medizinischer Versorgung und fehlender Privatsphäre. Das geht aus 16 Interviews hervor, die der Politikwissenschaftler Nikolai Huke mit Geflüchteten in Erstaufnahmeeinrichtungen in Bremen, Hessen, Hamburg, Thüringen, Bayern und Brandenburg geführt hat. Seine Forschungsergebnisse wurden am Donnerstag von Pro Asyl veröffentlicht.
„Die Interviews zeigen grundsätzliche Probleme des Unterbringungssystems auf“, sagte Huke, der die Gespräche mit den Geflüchteten zwischen Oktober 2020 und Februar 2021 führte. Ein Interviewpartner berichtet in der Studie, dass die Menschen „nah am Verrücktwerden“ seien, weil kaum Ruhe in den Einrichtungen herrsche. „Das heißt, du kriegst alles mit, was in deiner Nachbarschaft passiert. Kinder schreien, Familien telefonieren sehr laut, hören Musik. Das ist furchteinflößend. Und deshalb werden auch viele psychisch krank“, so das Zitat.
Die Sammelunterkünfte, so sagt ein anderer Asylsuchender, seien „wie ein Gefängnis“. Man lebe „abgeschnitten von der Außenwelt“. In mehreren Interviews wird von gewaltsamen Konflikten mit Security-Personal oder der Polizei berichtet. Da die Zimmer in Erstaufnahmeeinrichtungen oft nicht abzuschließen sind, habe sie nachts „den Schrank vor die Tür gestellt, weil ich Angst hatte“, erzählte eine Frau.
Die Corona-Pandemie verschärfte die Situation nach Hukes Analysen weiter. Wegen räumlicher Enge und fehlender Möglichkeiten sozialer Distanzierung wurden die Unterkünfte oft zu Hotspots eines dynamischen Infektionsgeschehens. Mehrbettzimmer und Gemeinschaftsräume wie Speisesäle und sanitäre Einrichtungen erschwerten den Infektionsschutz.
Die Studie zeige, dass die Bedingungen in Flüchtlingsunterkünften für die Bewohnerinnen und Bewohner „eine üble Zumutung und für ihre gesellschaftliche Partizipation kontraproduktiv sind“, betonte Andrea Kothen von Pro Asyl. Die Ergebnisse bestätigten einmal mehr, dass die Lager abgeschafft gehörten.