Sozialverbände und Gewerkschaften fordern Kindergrundsicherung

Sozialverbände und Gewerkschaften fordern Kindergrundsicherung
94 Prozent der Bürger für entschiedenen Kampf gegen Kinderarmut
Diakonie, Arbeiterwohlfahrt, DGB und Co. sind sich einig: Der Kampf gegen Kinderarmut muss resoluter geführt werden. Ein Bündnis von 22 Verbänden und Gewerkschaften nimmt die künftige Bundesregierung in die Pflicht - und wirbt für radikale Reformen.

Berlin (epd). Eine Allianz aus 22 Sozialverbänden und Gewerkschaften fordert die Einführung einer Kindergrundsicherung. In der nächsten Wahlperiode müssten alle Parteien dem Kampf gegen Kinderarmut höchste Priorität einräumen, heißt es in einem am Montag veröffentlichten Appell. Zugleich verweisen die Unterzeichner, darunter DGB, VdK, Diakonie und die Arbeiterwohlfahrt, auf eine neue Forsa-Umfrage in ihrem Auftrag. Demnach halten es 94 Prozent der Bevölkerung für wichtig, Kinderarmut schnell zu beseitigen.

„Die Kindergrundsicherung gehört in den nächsten Koalitionsvertrag und muss als prioritäres Vorhaben in der kommenden Legislaturperiode umgesetzt werden“, heißt es in der Erklärung. „Die vielen familienbezogenen Leistungen erreichen ihr Ziel, Armut von Kindern zu vermeiden, nicht.“ Auch die Anpassungen einzelner Zahlungen an Familien hätten in der zu Ende gehenden Legislaturperiode keinen grundlegenden Durchbruch gebracht. Aktuell leben den Angaben nach 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche von staatlichen Leistungen zur Existenzsicherung, davon 1,6 Millionen, obwohl ihre Eltern erwerbstätig sind.

„Wir fordern gleiche Chancen für alle Kinder“, betonte der Sozialverband Deutschland (SoVD). Eine Kindergrundsicherung wäre ein erster wichtiger Schritt, denn die bestehenden Leistungen kämen bei den Kindern oftmals nicht an. „Wenn wir es jetzt in Corona-Zeiten nicht schaffen, endlich gegen Kinderarmut aktiv zu werden, wann dann?“, sagte AWO-Chef Jens M. Schubert.

Für den VdK sagte Präsidentin Verena Bentele: „Das bestehende System der Familienförderung ist viel zu bürokratisch und gleicht einem Behörden-Dschungel.“ Außerdem bevorzuge es Gutverdienende und berücksichtige die Bedürfnisse von Familien mit Kindern mit Behinderungen zu wenig. „Die Kindergrundsicherung ist einfach und unbürokratisch“, erläuterte Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland: „Alle Kinder bekommen den gleichen Mindestbetrag. Kinder, die in Armut leben erhalten unmittelbar dazu, was sie für eine umfassende soziale Teilhabe brauchen.“

Die Idee einer Kindergrundsicherung finde auch in der Bevölkerung große Zustimmung, hieß es. 76 Prozent der Wahlberechtigten seien dafür, eine solche Leistung einzuführen. Selbst unter den Anhängern von CDU/CSU und FDP, die keine Kindergrundsicherung im Wahlprogramm haben, spreche sich jeweils eine deutliche Mehrheit von ebenfalls 76 Prozent beziehungsweise 67 Prozent für eine Kindergrundsicherung aus.

Von den Befragten, die selbst Kinder haben und die die Kosten gut einschätzen können, halte eine deutliche Mehrheit (56 Prozent) den monatlichen Hartz-IV- Betrag von 309 Euro für ein zehnjähriges Kind für zu niedrig. Nur sehr wenige Befragte mit Kindern sind den Angaben zufolge der Ansicht, dass der Betrag zu hoch sei (vier Prozent). 37 Prozent bewerten die Höhe der Zahlung als angemessen. Das Forschungsinstitut Forsa befragte den Angaben nach 1.018 Wahlberechtigte.